Schwitzen für sechs Milliarden Mark

■ Senat will am Wochenende die Finanzen neu ordnen / Alle Ressorts sollen jetzt Sparvorschläge machen

Für ihre zweitägige Klausurtagung, die am kommenden Sonntag beginnt, haben sich Senatoren und Senatorinnen ein hohes Ziel gesteckt. Neben den 1,5 Milliarden Mark, die Berlin noch in diesem Jahr einsparen soll, will die Regierung 1995 und 1996 derart die Einnahmen steigern und zugleich die Ausgaben verringern, daß sechs Milliarden Mark gespart werden können.

Wie Senatssprecher Eduard Heußen (SPD) gestern am Rande der Tagung des Finanzkabinettes zur taz sagte, sollen Liegenschaften und Wohnungen „nur im Notfall“ verkauft werden, denn „verkaufen kann man nur einmal“. Für 1994 war vom Abgeordnetenhaus ein Haushalt in Höhe von 43,6 Milliarden Mark beschlossen worden. Mit 7,4 Milliarden Mark sind davon knapp ein Fünftel neue Schulden. Ein Nachtragshaushalt wurde notwendig, als überraschend die Bundesregierung Anfang des Jahres die fest eingeplante Bundeshilfe um 641 Millionen Mark kürzte.

Zwischen den Senatsverwaltungen für Finanzen, Inneres, Wirtschaft, Arbeit, Bundesangelegenheiten und Bau, die das Finanzkabinett bilden, sei gestern bei der pauschalen Reduzierung aller Etats für das laufende Jahr um zwei Prozent „vieles unstrittig“ gewesen, sagte Heußen. Der Nachtragshaushalt, erwartete der Sprecher, werde am Sonntag deshalb schnell geregelt werden können. Zu einzelnen Sparposten äußerte sich der Senatssprecher allerdings nicht. Klar ist, daß jedes Ressort mit einem Sparvorschlag antreten muß. Finanzsenator Pieroth dementierte gestern immerhin, daß die 20 Millionen Mark für den Telebus-Betrieb gestrichen werden sollen. Bei einem ersatzlosen Wegfall des Busses für Behinderte „würde bei den Schwächsten und damit an falscher Stelle gespart“, sagte der Senator.

Ab 1995 will der Senat die Einnahme- und Ausgabepolitik so verändern, daß der Haushalt dauerhaft um jährlich drei Milliarden entlastet werde, berichtete der Senatssprecher. Auch hier wollte er keine konkreten Posten benennen, sagte aber, daß es „keine Tabus“ gebe. Die Prioritäten des Senats lägen einmal bei der Förderung neuer sowie dem Erhalt vorhandener Arbeitsplätze und bei „Aufbau Ost vor Ausbau West“. Die grobe Linie des Senats könne aus den Vorschlägen der Parteien entnommen werden, die selbst dann nicht genügten, wenn man alle zusammen verwirklichen würde.

Die SPD will die Bereiche Erziehung, Bildung, Ausbildung und Kultur „nur mit hoher Sensibilität“ umstrukturieren. Sie seien für die Zukunft dieser Gesellschaft von großer Bedeutung. Bis 1997 sollten in der öffentlichen Verwaltung 25.000 Stellen gestrichen werden, was durch die geplante Verwaltungsreform realisierbar sei. Beim Bau öffentlicher Gebäude sollen die Standards reduziert werden. Ab 1998 müsse der Bau von jährlich 20.000 Sozialwohnungen auf 14.000 verringert werden.

Gemeinsam mit der CDU und den Grünen wird beabsichtigt, den geplanten Ausbau der Messe- GmbH privat zu finanzieren, was zu einer Entlastung von 2,2 Milliarden Mark führen soll. Die CDU hat die Zusammenlegung der Uni- Klinika Charité und Rudolf Virchow (UKRV) zu Charité (RVK) vorgeschlagen. Die Bettenzahl könne so um über tausend auf 2.000 bis 2.500 reduziert werden.

Bekannt wurde, daß der Schulsenator Klemann in diesem Jahr rund 70 Millionen Mark beim Grundschulbauprogramm einsparen will. In der Diskussion sei auch, die Ermäßigungsstunden für Klassenlehrer und ältere Lehrer abzubauen. Dadurch würden mehrere hundert Stellen eingespart.

Die Grünen setzen sich auch für deutliche Einsparungen bei der Polizei ein. Mit der Einführung der Achtstundenschicht und etwa der Abschaffung der Freiwilligen Polizeireserve sowie des Polizeiorchesters und anderem könnten nach Angaben von Michaele Schreyer 71 Millionen Mark gespart werden.

Der Sprecher der Kulturverwaltung, Rainer Klemmke, zeigte sich gestern zuversichtlich, daß an seiner Verwaltung der Sparstrumpf vorüberzieht. Von dem Etat von 283 Millionen Mark könne weder bei den Kirchen (117 Millionen Mark) noch bei den Theatern (104 Millionen Mark) gespart werden. Der Rest von 77,3 Millionen Mark dürfe den freien Gruppen auch nicht weggenommen werden. Doch auch auf den Kulturetat angesprochen, versicherte der Senatssprecher: „Es wird keine Verwaltung ausgenommen.“ Dirk Wildt