■ Das Portrait: Lore-Maria Peschel-Gutzeit
„Komplett unfähig“ urteilen die einen über sie, „Tatkraft, gepaart mit Sachverstand“, meinen andere in ihr zu erkennen. So sperrig wie ihr Name ist sie in der Tat, die Hamburger Ex-Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit, die nun als sozialdemokatischer Politexport von der Elbe an die Spree weitergereicht werden soll. Wenn die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach heute für das Bundesverfassungsgericht zur Nachfolgerin des Vize- Präsidenten Mahrenholz berufen wird, dann wird die „überzeugte Hanseatin“ in Berlin wieder mitregieren dürfen.
Die 61jährige Juristin hatte das in Hamburg nur zwei Jahre lang tun dürfen, Knall auf Fall war sie nach den Wahlen und der Regierungsbildung mit der Statt Partei im Dezember von Bürgermeister Henning Voscherau abserviert worden — Kurzkarriere einer Sozialdemokratin ohne Hausmacht. Trotzdem – „kein Groll“ sagt sie, und „Bitterkeit gehört nicht zu meinem Wesen“. Ganz abnehmen mag man ihr das nicht.
Die Richterin am Hanseatischen Oberlandesgericht war 1991 von ihrer Partei mit einem Überraschungsergebnis in den Senat geschickt worden: Sie erwies sich aber mehr als „shooting“ denn als „star“. Die energische Frau (30 Jahre Richterin und etliche Vorsitze in SPD-Rechts- und Frauenkommissionen) sagt über sich: „Es ist nicht meine Art, zu Hause zu sitzen und Rosen zu gießen“ – das glaubt man ihr gerne.
Berlins neue Justizsenatorin Foto: H.- Scholz
Ihr besonderer Ehrgeiz gilt der Reformierung der Gesetzgebung, speziell des Sexualstrafrechts. Als Senatorin stürzte sie sich darauf mit weit mehr Elan als auf die Lokalpolitik. Im Bundesrat setzte sie sich für die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe und von sexuellem Mißbrauch in der Therapie ein, bei der Behebung von Mißständen in Hamburgs Knästen war sie jedoch weniger präsent. Den Ruf nach Berlin, der „Werkstatt der deutschen Einheit“, bezeichnet sie als „ehrenhaftes Angebot und historische Aufgabe“.
Nein, politische Aufgaben habe sie noch nicht ins Auge gefaßt: „Ich muß erst mal sehen, wo es brennt.“ Darüber, daß sich ihre Hamburger Erfahrung in Berlin bald wiederholen kann (Berlin wählt im Herbst 95), ist sich Peschel-Gutzeit im klaren: „Davor kann mich keiner schützen.“ Sannah Koch
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