Jetzt auch die Grünen in der SED-Aktenmühle?

■ Protokoll über ein Gespräch Antje Vollmers zur Einreisesperre für Grüne

Berlin (taz) – Nachdem im Zuge des beginnenden Wahlkampfes immer wieder Dokumente über SED-Kontakte von SPD und CDU veröffentlicht wurden, hat das Thema jetzt auch die Grünen erreicht. Anlaß: Aus den zahlreichen Gesprächen, die grüne PolitikerInnen im Laufe der 80er Jahre mit der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn sowie dem SED-Politbüromitglied Herbert Häber führten, hat der FU-Wissenschaftler Jochen Staadt jetzt ein SED- Protokoll über eine Unterredung zwischen Häber und Antje Vollmer ausgegraben. Die Unterredung, die die Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion am 9.11. 1984 in Ost-Berlin führte, sollte die Chancen für eine Aufhebung des generellen DDR-Einreiseverbots für grüne Parteimitglieder ausloten, das die SED Ende 1983, nach einer gescheiterten Protestaktion von DDR-Bürgerrechtlern und Grünen in Ost-Berlin, verhängt hatte.

In dem Protokoll heißt es, Häber – im Politbüro zuständig für die Kontakte zu den West-Parteien – habe Antje Vollmer zu verstehen gegeben, „es könne nicht so laufen, daß die Grünen Gespräche mit Institutionen des Staates lediglich als Deckung für andere Interessen benutzen könnten“. Laut Häbers Aufzeichnungen habe Antje Vollmer die durch die Einreisesperre verursachte „Unterbrechung der Kontakte“ bedauert. „In wesentlichen politischen Auffassungen stände man sich jedoch viel näher als mit Politikern der ,etablierten‘ Parteien.“ – Eine Standardformulierung, die SED-Chef Erich Honecker gern grünen BesucherInnen kredenzte, aus dem Munde Antje Vollmers?

Die reagierte inzwischen auf die Veröffentlichung des Häber-Protokolls: „Die mir zugeschriebenen Zitate sind auf absurde Weise sinnverdreht oder falsch zugeordnet.“ Daß in einem solchen Gespräch allerdings „keine Verbalinjurien auszuteilen waren“, sei selbstverständlich.

Nachhaltige Wirkung hatten die Grünen-Gespräche mit DDR-Offiziellen allerdings nicht. Auch für Antje Vollmer galt nach ihrer Rotation aus dem Bundestag eine Einreisesperre für die DDR. Wie aus ihren Stasi-Akten hervorgeht, wurden ihr gelegentliche Einreisen ermöglicht, um ihre Kontakte zu Mitgliedern kirchlicher Friedensgruppen durch die Staatssicherheit „aufklären“ zu lassen.

Am 10. März wollen die Grünen auf einem Forum in Bonn über ihre Deutschlandpolitik in den 80er Jahren diskutieren. Es gelte, so die Veranstalter, zu „prüfen, welche Positionen wir damals vertraten und welche Schlüsse wir für unsere heutige Politik daraus ziehen“. Eines jedoch wollen die Organisatoren auf jeden Fall vermeiden: eine „von selektiven Veröffentlichungen“ und „von wahltaktischen Manövern“ geprägte Debatte. eis