: Deutscher Bürger werden bleibt schwer
Schmalz-Jacobsen legt Ausländerbericht vor ■ Aus Bonn H. Monath
An der Verzögerung der versprochenen Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes hat die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), indirekt Kritik geübt. Bei der Vorstellung des ersten umfassenden „Berichts über die Lage der Ausländer in Deutschland“ sagte Schmalz-Jacobsen gestern in Bonn, die Reform des Staatsbürgerrechts sei vom Kabinett zugesagt gewesen und stehe auch im Koalitionsvertrag. Die Ausländerbeauftragte erwartet aber nicht, daß die Reform in dieser Legislaturperiode abgeschlossen wird. Auch der von ihr favorisierten doppelten Staatsbürgerschaft gibt sie in diesem Zeitabschnitt offensichtlich wenig Chancen.
Für „realistisch“ hält die Ausländerbeauftragte dagegen eine Herabsetzung der Anspruchszeiten bei der Einbürgerung noch bis Oktober. Nach 15jährigem rechtmäßigem Aufenthalt in der Bundesrepublik können Ausländer bislang die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Die Koalition, so die Ausländerbeauftragte, könne diese Frist auf zehn Jahre (bei Jugendlichen auf acht Jahre) herabsetzen. Ferner sind nach Meinung von Schmalz-Jacobsen Integrationsschritte „unterhalb des Staatsbürgerrechts“ denkbar.
Die Koalitionsparteien sind sich in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft uneins. Während die FDP seit ihrem Parteitag in Münster im Sommer 1993 offiziell für die doppelte Staatsangehörigkeit eintritt, bekennen sich aus den Reihen der Union lediglich einzelne CDU-Abgeordnete zu diesem Ziel. An Versprechungen fehlte es nicht: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte im vergangenen Sommer angekündigt, das Staatsangehörigkeitsrecht werde noch in der laufenden Legislaturperiode reformiert. Selbst Helmut Kohl hatte im Juni 1993 eine baldige Erleichterung der Einbürgerung von Ausländern und weitere Ausnahmebestimmungen versprochen.
Wegen der Uneinigkeit haben sich die Koalitionspartner offenbar stillschweigend darauf geeinigt, das Thema Doppelte Staatsbürgerschaft vor der Bundestagswahl nicht mehr zu behandeln. Auch in der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch war klar geworden, daß die Reform des Staatsbürgerrechts bis Oktober nicht mehr verwirklicht wird. Regierungsvertreter erklärten, ein „hausinterner“ Gesetzentwurf des Innenministeriums sei noch nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt.
Die SPD-Abgeordnete Cornelie Sonntag-Wolgast nannte das Vorgehen der Regierung einen Bruch der Koalitionsvereinbarungen, wonach eine „umfassende Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in Angriff“ genommen werden sollte. Grund der Verzögerung sei neben der Uneinigkeit der Koalitionspartner „die Angst davor, sich bei den Wählern aus dem rechten Spektrum unbeliebt zu machen“. Auch der Abgeordnete Konrad Weiß vom Bündnis 90/Grüne vermutet hinter der Verzögerung politische Absicht: „Wenn man wirklich wollte, könnte man das innerhalb von 14 Tagen durchbringen“, sagte er.
Burkhard Hirsch (FDP) sagte dagegen gestern, die Koalitionsvereinbarung schreibe keine „Gesamtlösung“ innerhalb der laufenden Legislaturperiode fest. Falls die Koalition seinen Vorschlägen folge, die Unterscheidung zwischen Ausländern und Deutschen in der Verfassung im Einzelfall zu überprüfen, verliere die Frage der Staatsbürgerschaft an Bedeutung.
Die Lebenssituation der rund 6,5 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik habe sich in den vergangenen Jahren trotz der fremdenfeindlichen Anschläge grundsätzlich verbessert, sagte Schmalz-Jacobsen gestern. Allerdings sei es für einen Rechtsstaat unerträglich, daß 46 Prozent der Ausländer in der Bundesrepublik Angst vor Übergriffen hätten, wie aus einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr hervorgehe.
Der gestern erstmals vorgestellte „Bericht über die Lage der Ausländer“ geht zurück auf den Asylkompromiß vom 6. Dezember 1992. Das 170 Seiten umfassende Werk belegt nach den Worten der Ausländerbeauftragten, daß die Aufenthaltszeiten in den vergangenen Jahren konstant zugenommen haben. Angesichts dieser Daten müsse endlich anerkannt werden, daß die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen