Fanny Müller: Im Kino

ier Damen wollen ins Kino? - Nichts einfacher als das. Karten werden besorgt, der Film geguckt, man geht noch ein Glas Bier trinken und dann ab nach Hause. Ganz falsch.

Es fängt schon damit an, daß eine endlose Telefoniererei losgeht. Eine möchte was Lustiges sehen, eine andere hat lange keinen Problemfilm geguckt, die dritte hat selber genug Probleme, die vierte will keinen Liebesfilm, weil ihr Kerl gerade abgehauen ist.

Und in welches Kino soll man gehen? Zwei möchten ins Abaton, weil sie direkt daneben wohnen, eine will ins Zeise, weil sie direkt dabeben wohnt. Der vierten ist alles egal, weil sie bei ihrer Mutter wohnt, seitdem es über ihr gebrannt hat.

Dann die Zeiten. Zwei wollen in die frühe Vorstellung, weil sie normal schon um neun mit einer Wärmflasche im Bett liegen, zwei wollen spät gehen, weil sie ihrer Beziehung noch das Abendbrot richten müssen. Das Dilemma wird dadurch gelöst, daß eine Beziehung Freikarten besorgt hat.

Eins und Drei, die die Karten abholen sollten, stehen natürlich nicht wie verabredet am Eingang, sondern hängen am Kiosk und trinken vorsichtshalber schon mal ein Bier. Es soll sich um einen Film mit Überlänge handeln. Vier kauft Popcorn (die andern: Igitt!), Zwei kauft Eiskonfekt (die andern: Igitt), Eins hat sich Butterbrote mitgebracht (die andern: Igittigitt). Drei kauft ein Bier (die andern: Laß mich auch mal)

Dann sollen die Plätze eingenommen werden.

Zwei und Drei möchten hinten sitzen, weil sie ihre Brillen nicht vergessen haben, Eins und Vier möchten vorne sitzen, weil sie ihre Brillen verlegt haben. Man sitzt in der Mitte, nachdem der Vorschlag der Brillenlosen, die anderen beiden könnten doch je nach Bedarf den Fortgang der Handlung erklären, abgeschmettert wurde.

Nun geht die Werbung los. Man rückt sich gemütlich zum Raten zurecht. Eine Schönheit hüpft auf eine Yacht. „Damenbinden!“ brüllt Drei. Drei ist dafür bekannt, daß sie gleich die Stimmung verdirbt. „Trockenfutter“, flüstert Eins. Eins ist dafür bekannt, daß ihr alles gleich peinlich ist. Jetzt fällt Drei ein dringendes Problem ein: Was ist, wenn ihr Verflossener mit seiner Neuen im Kino auftauchen sollte?

Die Beratung nimmt den Rest der Werbezeit in Anspruch und wird von den umliegenden Reihen mit Interesse verfolgt. Man einigt sich auf den spontanen Ausruf: „Da kommt das Arschloch mit der Schlampe!“ Weitere Vorschläge aus dem Publikum werden wegen Vulgarität und/oder Frauenfeindlichkeit verworfen.

Nun beginnt der Film. Es ist ein chinesischer Film und - typisch chinesisch - gleich von Anfang an stört ein eigenartiger Dauerton das verwöhnte mitteleuropäische Ohr. Vier findet, daß das Quälende dieses Geräusches auf subtile Weise die innere Zerrissenheit der Protagonisten rüberbringt.

Nach zehn Minuten stellt sich heraus, daß es die Alarmanlage des Kinos ist, die nur von der Feuerwehr ausgeschaltet werden kann. Alle BesucherInnen werden ins Foyer gescheucht. Es herrscht eine angenehme Panikstimmung. Anlaß genug für unsere Damen, vier Biere am Kiosk zu bestellen, um die angegriffenen Nerven zu beruhigen. Die Feuerwehr trifft mit zwei Wagen ein. Es tut sich nichts. Es brennt auch gar nicht. „Hab gleich gewußt, daß das'n Scheißfilm is,“ sagt Drei, „lassuns inne Kneipe.“

Die Kneipe liegt gegenüber, ist eine In-Kneipe und hat auch richtig eine handgeschriebene Karte, die allerdings einige Fragen aufwirft. Vier arbeitet in einer Apotheke und behauptet, daß sie jede Schrift entziffern kann. Sie leiht sich eine Brille und liest vor: „Als Dessert gibt es Zitronen-Phimose“. Heutzutage wird aber auch alles recycelt. Die Bedienung wird herbeizitiert: „Wir möchten den Nachtisch. Aber nicht essen. Nur kucken.“

Eins schämt sich so, daß sie beinahe Stücke aus dem Holztisch herausbeißt. Aber am Ende des Abends und nach etlichen Runden sind doch alle vier Damen der Meinung, daß es sich um eine gelungene Veranstaltung gehandelt habe, die geradezu nach Wiederholung schreie.