Fruchtzwerge auf der Pirsch erlegt

■ Die Pirsch durch's Allergie-Gebirge: Heidi Homann späht Erreger aus und berät Kranke

Wer zu Heidi Homann kommt, muß schon fast mit Schokoladeverbot rechnen. Für über hundert von 270 PatientInnen im letzten Jahr jedenfalls verordnete die Allergieberaterin den einstweiligen Schokoverzicht – und die haben nicht einmal protestiert. Schließlich gelten mittlerweile auch Lebensmittel als Allergieauslöser. Und außerdem leiden die Ratsuchenden: An Jucken, kaputter Haut, Nervosität oder Asthmaanfällen. Zwar sind sie deswegen in ärztlicher Behandlung – aber für Ernährungsberatung haben MedizinerInnen selten Zeit. Dann schicken sie ihre PatientInnen zu Heidi Homan, die in der Praxis einer Kattenturmer Kinderärztin ansässig ist.

Vor fünf Jahren sprang die studierte Lebensmittelchemikerin in die „Bedarfslücke Allergieberatung“, nachdem ihr eigenes Kind betroffen war und sie selbst kaum guten Rat fand. Der ist bis heute teuer: Zwar werden die Beratungskosten mittlerweile von vielen Kassen übernommen. Aber „leider“ ist die nächste Kollegin erst in Schleswig-Holstein angesiedelt. Das bedeutet Fahrtkosten für die PatientInnen, die aus dem gesamten Umland anreisen. Und berufliche Einsamkeit für die Beraterin. Die kennt aus den USA Gemeinschaftspraxen, die die schwierigen Allergiekrankheiten von verschiedenen Seiten gleichzeitig behandeln – und damit gute Erfolge erzielen: „Sowas wäre mein Traum“.

Schwerpunkt der Homann'schen Beratungsarbeit sind Außlaß-Diäten: Lebensmittel, die in den Verdacht geraten sind, Allergien auszulösen, werden gezielt vom Speisezettel verbannt und in zeitraubender Kleinarbeit nach mehrmonatiger Abstinenz wieder eingeführt. Dieses Schicksal trifft selbst die kleinsten Pökse. Sie machen 90 Prozent der Ratsuchenden aus.

Der Rat, den sie bei der Allergieberaterin allerdingsbekommen, bringt die Welt der Erwachsenen bisweilen zum Beben: Wenn die Möhre, der Inbegriff gesunder Kinderernährung, auf den Auslaß-Index gerät, beginnen manche Eltern zu zweifeln – aber nur kurzfristig: Denn Heidi Homann sorgt für ausgewogenen Ernährungsersatz und betreibt auch die kontrollierte Wiedereinführung der gebannten Speisen: „Das Ziel meiner Behandlung ist, daß die Kinder irgendwann wieder alles essen können, ohne krank zu werden.“

Der Weg dahin ist lang: Vier Sitzungen sind das Beratungsminimum. „Aber nur für die wenigen, die mit einem ärztlichen Allergiebefund kommen.“ Denen hilft die Beraterin mit praktischen Tips. Das können so einfache Dinge wie Kuchenrezepte sein, die ohne Milch und Eier gebacken werden müssen – weil das Neurodermitiskind ausgerechnet davon am ganzen Körper Ausschlag bekommt. Dann weist Heidi Homann sogar darauf hin, die flache Kuchenform zu benutzen: „So sieht der Geburtstagskuchen einfach besser aus.“

Die Mehrheit der Ratsuchenden kommt jedoch monatelang, manche über Jahre: Vor allem dann, wenn Beschwerden auftreten, für die es keine eindeutige Erklärung gibt. „Dann wird weggelassen“, sagt die Auslaßberaterin, „Eier, Milch, Getreide.“ Für Heidi Homann gibt es kein einheitliches Erfolgsrezept: „Ich arbeite sehr individuell. Beim einen löst Persil die Allergie aus, beim anderen ist es das Aldi-Waschmittel“.

Auf dem Allergiesektor versagen die einfachen Lehrsätze. Und an denen, die es gibt, rüttelt Heidi Homann gerne: „Daß Neurodermitis beispielsweise auf die Mutter-Kind-Beziehung zurückzuführen ist, glaube ich nicht.“ Und auch die Mutter, die ihrem schreienden Baby immer die allergieauslösende Milch eingeflößt hat, im Glauben Gutes zu tun, tröstet sie: „Im Allergiefall richtig zu handeln ist wirklich schwierig.“

Neulich allerdings war es einfach: Als Heidi Homann von dem Schuhgeschäft hörte, wo das Kind keine Schuhe probieren durfte, weil der Strumpf von der neurodermitisverschorften Haut gerutscht war: „Dort habe ich mich beschwert“, erzählt sie empört. „So macht man kranken Menschen das Leben unnötig schwer.“ Und dagegen ist sie unbedingt.

Deshalb muß am Ende ihrer Untersuchungen auch nicht jedes Kind auf bestimmte Speisen verzichten. Wenn die Auslaßspezialistin nicht nachweisen kann, daß die Beschwerden tatsächlich durch Milch hervorgerufen werden – „dann sollen die Kinder doch weiter ihre Fruchtzwerge essen.“ Das Auslaßprinzip mit System ist nämlich keine Allheilmethode: „Nur ein Baustein im Gebirge der Allergiebehandlung“. Das will die Chemikerin begehbar machen. „Aber ich kann ja nicht zaubern“, wendet sie ein. Denn manchen kann sie überhaupt nicht helfen. Eva Rhode