Öko-Wohnen – eine Zumutung?

■ Studie an der Uni Oldenburg: Wie können Städte ökologisch umgebaut werden, ohne völlig die Lebensgewohnheiten der Menschen umzukrempeln?

„Die ökologische Musterstadt war Wien im 19.Jahrhunderts: Nach außen abgegrenzt, kurze Wege, verdichtete Innenstadt“, sagt Norbert Gestring, Sozialwissenschaftler von der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität. Die Städte des ausgehenden 20.Jahrhunderts dagegen zeichnen sich durch Zersiedelung und Flächenfraß aus, der als Stadtbrei ins Umland schwappt. Die ökologischen Folgeschäden sind Bodenversiegelung, Straßenbau und Autoverkehr. Da ist es schon viel ökologischer, wenn Menschen in verdichteten Großstädten wohnen, doch auch in den Städten ist das Leben nicht viel naturschonender, hat die „Arbeitsgruppe Stadtforschung“ an der Uni Oldenburg untersucht. „Die Lebensweise des städtischen Konsumentenhaushalts hat den Städter zu einem Umweltverschmutzer werden lassen, der Waren, Energie und natürliche Ressourcen verbraucht und Müll und Gift produziert. Die städtische Lebensweise bezeichnet nicht mehr den möglichen Pfad für eine bessere Zukunft für alle, sondern das mögliche Ende aller Zukunft,“ schreiben Gestring und seine Kollegen Hans-Norbert Mayer und Walter Siebel in der April-Ausgabe der Zeitschrift „Wechselwirkung“.

Warum passiert eigentlich in privaten Haushalten so wenig zum Thema ökologische Umgestaltung der Städte, haben sich die Oldenburger Wissenschaftler gefragt. An mangelnder Information, Faulheit oder Dummheit der StadtbewohnerInnen kann es nicht liegen, meinten sie. Die Ursachen für die Umgestaltung im Schneckentempo suchen sie bei einer Halbzeitbilanz ihrer zweijährigen Studie „Konflikte zwischen Ökologie und Urbanität“ woanders: In den Anforderungen des ökologischen Wirtschaftens, die mit den Erwartungen an das Stadtlebens kollidieren.

Denn die „urbane Lebensweise“ hat verschiedene Voraussetzungen: Entlastung der Privathaushalte von der Arbeit, Trennung von Arbeit und Freizeit, Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit, Selbstzwänge statt Naturzwänge, Wahlfreiheit beim Konsum. Zu deutsch: Die Wohnung als ungestörter Rückzugsraum, wo Maschinen die Arbeit abnehmen und wo der geplagte Stadtmensch in der Anonymität abschalten kann: „Stadtluft macht frei“.

Ökologisches Wohnen dagegen läuft dieser Tendenz entgegen. Es erfordert Mehrarbeit im Haushalt (Mülltrennung, Mehrwegsysteme, Eigenproduktion, Anlagenbedienung), den Erwerb neuer Qualifikationen, Kooperation in der Nachbarschaft, Selbstbeschränkung beim Konsum und einen „partiellen Abbau von Reinlichkeitsstandards“. Verständlich, daß ökologisches Leben vielen Menschen daher als schwer machbar erscheint: „Ein ökologischer Städte- und Wohnungsbau ist mit Verhaltensanforderungen an die Städter verknüpft, die in Widerspruch geraten können zu den Hoffnungen und Versprechungen, die sich mit der urbanen Lebensweise historisch verknüpft haben“, schreiben die Wissenschaftler. „Es könnte also auch gute Gründe geben, die Verhaltensanforderungen des ökologischen Wohnens als Zumutung zu empfinden und an unökologischen Verhaltensweisen festzuhalten.“

Wie also können die Städte ökologisch umgebaut werden? Drei Wege bieten sich an: der soziale, der technischen und der städtebaulichen Ansatz. Der soziale Ansatz will den Menschen und seine ganze Lebensweise verändern: Für diesen Kreis wird ökologisches Wohnen zur Selbstverwirklichung, sie sind eine „hochmotivierte Avantgarde der ökologischen Lebensform“, die in selbstverwalteten Öko-Siedlungen lebt, wo per öffentlichem Aushang des Stromverbrauchs jeder seinen Nachbarn als Öko-Schwein outen kann: Keine Wohnumstände, die für die breite Bevölkerung attraktiv sind.

Der technische Ansatz setzt auf Maschinen und Bauvorschriften: Verbesserte Wärmedämmung, Sonnenenergie- und Abwärmenutzung brauchen keine individuelle Entscheidung der Bewohner, sondern werden als Baustandards vorgegeben. Der Vorteil: Die Öko-Maßnahmen versprechen „schnelle und sichtbare Entlastungseffekte für die Umwelt“. Der Nachteil: Hohe Kosten und neue Reglementierungen, Wirkungslosigkeit, wenn sich die Einstellung nicht wirklich ändert (Was nützt ein wärmegedämmtes Haus, wenn die Fenster offenstehen?).

Der städtebauliche Ansatz schließlich propagiert den Abschied von der bisher gültigen Sicht der Stadtentwicklung, die sich in den Einfamilienhäusern im Grünen und Zweitwagen zeigt. „Wohnen im Grünen ist kein ökologisches Wohnen, auch wenn noch so viele technische Innovationen und individuelle Verhaltensänderungen investiert werden“, heißt es da. Hier ist die ökologische Stadt ein hochkomplexer, verdichteter Ort mit kurzen Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen. Wohnraumverdichtung heißt gleichzeitig eine Verschärfung sozialer Gegensätze und eine Belastung der ärmeren Bevölkerung bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. „Eine konsequente Flächenpolitik träfe so in erster Linie die Schwächsten der Gesellschaft. Es kann aber nicht der Sinn des ökologischen Stadtumbaus sein, die Umweltprobleme auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit zu lösen.“

Für die Machbarkeit von ökologischer Stadtentwicklung sehen die Oldenburger Wissenschaflter schwarz: „Ohne Zweifel wäre eine Kombination des sozialen, technischen und städtebaulichen Ansatzes das Beste. Vergegenwärtigt man sich die verschiedenen Konfliktebenen, die mit den drei Strategien verbunden sind, scheinen die Aussichten für die Ökologie finster zu sein..“ bpo