■ Fremde Heimat?
: „Freundschaft ist hier schon lange gestorben“

A.R. Durmus, 45 Jahre, Verkäufer

Seit 23 Jahren lebe ich schon hier in Kreuzberg, aber ich werde auf jeden Fall in meine Heimat zurückgehen. Zu Hause fühle ich mich hier nicht. Früher war ich sehr viel mit Deutschen zusammen; in letzter Zeit jedoch wird die Distanz zunehmend größer. Außerdem habe ich den Eindruck, daß die Polizei heute mit zweierlei Maß mißt: Bei Deutschen drückt sie viel eher mal ein Auge zu als bei Ausländern.

Firat Tuncay, 19 Jahre, Verkäufer

Ich bin in Berlin geboren und hier zur Schule gegangen. Alle meine Freunde habe ich in Deutschland, so daß ich mich hier auch zu Hause fühle. Zwar habe ich auch einige deutsche Freunde, aber ich glaube dennoch, daß die Deutschen eher ein kaltes Volk sind. Obwohl sie nicht so viel Kontakt mit ausländischen Bürgern haben, bilden sie sich schnell Vorurteile, gerade auch im Ostteil der Stadt.

Güler Aras, 23 Jahre, Erzieherin

So lange keine Gefahr für meine Familie und mich besteht, bleibe ich auf jeden Fall in Deutschland. Hier habe ich meine Arbeit, alle meine Freunde. Ich habe mich der deutschen Gesellschaft so stark angepaßt, daß ich hier zu Hause bin. Es gefällt mir sehr, daß in Berlin verschiedene Volksgruppen in einer Stadt zusammenleben. Hier hat man viele Möglichkeiten der individuellen Entfaltung.

Akcan Rüstem, 47 Jahre, Fleischer

Meine Familie und ich fühlen uns hier wie daheim. Wir bekommen in Kreuzberg doch alles, was wir aus der Türkei gewohnt sind. Wenn ich in meinen Geburtsort fahre, fühle ich mich irgendwie fremd, weil ich dort auch keine Freunde habe. Die meisten Deutschen sind jedoch nicht so herzlich wie die Menschen in der Türkei. Freundschaft, wie wir sie verstehen, ist in Deutschland schon gestorben.

Abdulahat Bondir, 48 Jahre, Goldschmied

Ich bin hier sehr zufrieden und würde gerade in dieser unruhigen Zeit nicht in meine alte Heimat zurückfahren. Natürlich war die Situation für Ausländer, als ich nach Berlin kam, besser als heute, aber ich selber habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Deutschen. Inzwischen haben meine Familie und ich auch deutsche Pässe. So richtig als Deutscher akzeptiert fühle ich mich aber nicht.

Atifa Cedik, 19 Jahre, Friseurin

Ich fühle mich halb als Berlinerin und halb als Türkin und habe damit keinerlei Probleme. Hier bin ich geboren und zur Schule gegangen, hier habe ich auch viele deutsche Freunde. Problematischer wird das Verhältnis zwischen Deutschen und TürkInnen im Ostteil der Stadt, wo ich zur Berufsschule gehe. Dort hört man schon manchmal völlig unreflektierte Vorurteile.

Umfrage: Christine Schiffner

Fotos: Bente Geving