■ Absolut keine artgerechte Haltung der Meeressäuger:
: Traurige Delphine sterben früh

Hamburg (taz) – Zwei Delphine spielen in einem Pool, gucken schelmisch aus dem Wasser und tauchen wieder ab. Immer im Kreis schwimmen die weiblichen Großen Tümmler, besser als „Flipper“ bekannt, in dem engen Becken. Doch plötzlich taucht einer der beiden Gefährten einfach nicht mehr aus dem Wasser auf, gleitet auf den Betonboden des Pools. So starb am 23. Januar dieses Jahres der Delphin Daisy im Hansapark Sierksdorf an der Ostsee.

Besitzer Eddi van Stijn reagiert sofort. Noch am selben Tag wird der letzte Delphin Peppina Hals über Kopf in das Duisburger Delphinarium geschafft. Die Eile der Betreiber hat auch einen Grund: die Angst vor den Medien. Hatte doch der frisch entlassene Delphintrainer des Parks, Sebastian Syrbe, nur vier Tage vor dem Unglück den Tod des Meeressäugers vor Millionen von Fernsehzuschauern vorausgesagt. Die über 30 Jahre alte Daisy, erzählte der Delphintrainer, sei einfach showmüde und deprimiert.

Syrbe hatte sich bei seinem Chef über technische Mängel beschwert, wie eine seit Jahren defekte Absaugpumpe im Delphinpool. Geschäftsmann van Stijn waren die Reparaturen zu teuer, und Syrbe mußte gehen. Dem vom Pech verfolgten Holländer waren ohnehin in den letzten drei Jahren drei seiner vier Tiere gestorben. In dieser Zeit wurden durch den Tod von insgesamt sechs Showdelphinen drei der ehemals neun Delphinarien in Deutschland geschlossen, denn seit 1983 ist die Einfuhr der Meeressäuger zu kommerziellen Zwecken bei uns verboten.

Bis 1989 sprangen van Stijns Tümmler Joe, Peppina, Daisy und Aurauka zusammen in den immer gleichen Dreißig-Minuten-Shows des Delphinariums im Phantasialand Brühl bei Köln – täglich vier- bis fünf- und am Wochenende sogar siebenmal. Dann wurden die Tiere getrennt, Aurauka und Daisy kamen nach Sierksdorf. Als Joe 1991 starb, folgte Peppina ihren Gefährtinnen an die Ostsee. Das Delphinarium in Brühl schloß für immer seine Tore.

Der nächste GAU passierte im Pool des Europaparks in Rust bei Freiburg: Innerhalb von zwölf Tagen starben im August '92 alle drei Delphine durch verschmutztes Wasser. Ihrem Tod folgte wenig später der von Aurauka im Hansapark. Van Stijn verlor nun mit Daisy die vorletzte Einnahmequelle seines Show-Entertainments. Auch der Hansapark machte dicht.

Als Erfolg bewerten Tierschützer das Ende der Shows nicht. Den Preis zahlten immer die Delphine. Ihre Befreiung aus engen Betonbecken und gechlortem Wasser, von Showstreß und Tiefkühlfisch fanden sie erst im Tod. Tierschützer und Gegner der Delphinarien- Industrie klagen an: Die stets lächelnden Publikumslieblinge sterben in verseuchtem Wasser, an durch Chemie hervorgerufenen inneren Entzündungen, vollgestopft mit Beruhigungsmitteln, Antibiotika und künstlichen Vitaminen und nach Meinung vieler vor allem an gebrochenem Herzen.

Gerade der Tod von Daisy hat die Frage über das Leiden von Walen und Delphinen in Gefangenschaft erneut entfacht. Die Argumente der Betreiber von Delphinarien erweisen sich immer mehr als haltlos und falsch:

1. Das Wissenschaftsargument:

Wenn der gern als Pionier der deutschen Delphinarienszene gefeierte ehemalige Duisburger Zoodirektor Wolfgang Gewalt die Reichweite des Sonars seiner Beluga-Wale in einem nur wenige Quadratmeter großen Betonbecken untersuchen will, liegt der Irrsinn auf der Hand. Wirklich interessante Fragen, wie beispielsweise die maximale Schnelligkeit beim Schwimmen, Tauchtiefe und Weite täglich zurückgelegter Strecken oder die Beutefangtechniken und Reichweite des Echolotes können eben nicht in Gefangenschaft beantwortet werden.

2. Das Arterhaltungsargument:

Nach einer Studie des Delphin Projekts Arion in Berlin liegt die Sterberate bei in Gefangenschaft geborenen Delphinen in Deutschland bei über 80 Prozent. Die meisten Babys sterben innerhalb der ersten Stunden und Tage nach der Geburt. Seit das erste Delphinarium Deutschlands 1965 in Duisburg seine Tore öffnete, sind in Deutschland laut Statistik der Tierschützer mindestens 97 Delphine zumeist an den direkten Folgen der Gefangenschaft gestorben.

Petra Deimer, Vorsitzende der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere und Abgeordnete der Internationalen Wahlfangkommission, fordert seit Jahren Mindestbeckengrößen von 800 Quadratmetern und bemängelt: „In Deutschland ist kein Delphinarium größer als 200 Quadratmeter, die meisten sind noch viel kleiner.“

3. Das Bildungsargument:

„Niemand würde so einen blöden Delphin schützen, wenn wir ihn nicht im Delphinarium zeigen würden“, Zitat Dr. Claus Hagenbeck. Der Tierparkchef behauptet, daß wir Menschen nur das lieben und schützen, was wir auch kennen. „Blöd“ hingegen finden Showgegner die albernen Kunststücke, die den Delphinen abverlangt werden und die so gar nichts mit dem Verhalten frei lebender Delphine zu tun haben sollen. Sie verweisen auf amerikanische Studien, die belegen, daß Menschen sich in Zoos amüsieren und nicht belehren lassen wollen.

Darauf sagen die Delphintrainer: Delphine springen auch im Meer tollkühn aus dem Wasser. Die Tierschützer erwidern: Dort tun sie es aus purer Lebensfreude und nicht, weil sie sich zu Tode langweilen oder gezwungen werden. Der umweltpolitische Sprecher des World Wide Fund Deutschlands in Frankfurt, Dr. Arnd Wünschmann, war zoologischer Direktor des Tierparks Hellabrunn. Er weiß, warum Delphine in Gefangenschaft blödeln: „Die Tiere werden gemanagt, mit Medikamenten vollgestopft und bekommen ihr Futter vorgesetzt.“

Ein wichtiger Grund, Delphine für Shows gefangenzuhalten, wird von den Betreibern und Besitzern gern verschwiegen. Die intelligenten Akrobaten sind ein riesiger Faktor in der Gewinnkalkulation der Tier- und Vergnügungsparks. Syrbe schätzt die jährliche Besucherzahl im Delphinarium des Hansaparks auf 750.000. Bei 24 Mark Eintritt kommen da 18 Millionen Mark zusammen.

Bis zu sechsmal täglich mußte Daisy in der Hauptsaison den Clown spielen. Warum sie starb, wird nach Angaben des Hansaparks zur Zeit noch untersucht. Viele sagen, es war Selbstmord. Ihr engster menschlicher Vertrauter Syrbe weiß zumindest, daß Daisy nach 22 Jahren Show am Albern keine Freude mehr hatte. Uwe Steinmeyer