Wenn der Rubel rollt...

...gibt es auch mal einen Maulkorberlaß des Sponsors / Zuversicht der Frauen des USC Münster vor dem Volleyball-Europapokal-Finale  ■ Aus Münster Jörg Winterfeldt

Früher war Ariane Radfan (28) ein Kaderkind des Sozialismus: Auf Rügen aufgewachsen, schon bald, mit elf, nach Berlin dirigiert und dort, 1,85 Meter groß und zur Spitzenvolleyballerin trainiert, schnell zum Schmetterstar des DDR-Staates avanciert. Nach der Wende fand Radfan den Weg ins Profi-Paradies Italien. Seit Saisonbeginn pritscht und baggert sie nun äußerst erfolgreich für den Bundesliga-Tabellenführer in Münster in Westfalen und dort am Wochenende mit dem USC in der Endrunde im Europapokal.

Die soll zur großen Feier werden. Geladen sind außer 4.500 Gästen pro Tag die ukrainischen Teams aus Lugansk und Cerkva sowie der italienische Tabellenzweite aus dem südsizilianischen Agrigento. Dabei hat die Auslosung den Frauen aus Münster im Halbfinale am Samstag mit Alexandria Bila Cerkva bereits den „Favoriten für das Finale“ beschert, wie Co-Trainer Jörg Hinsken befürchtet. Der hat fast die ganze Woche mit USC-Trainerin Woodstra und Volleyballvideos verbracht und erkannt, daß Cerkva „beinahe identisch ist mit der ukrainischen Nationalmannschaft, die bei der EM Dritte wurde“.

Dennoch weiß Hinsken um die Stärken des eigenen Teams, das die Gegnerinnen „mit guten Angaben nicht ins Spiel kommen lassen“ soll, um insbesondere die schnellen Angriffe Cerkvas über Außen Kolomiets zu verhindern. 100.000 Mark kostet den USC die Ausrichtung des Finalturniers, und weil man das schon vor der Saison einkaufen mußte, hätte das Ganze eine schöne Pleite geben können, wenn Radfan & Co. die Qualifikation verpaßt hätten. Gegenbewerber gab es ob des Risikos keine, und auch Münster kann sich solchen Poker nur wegen seines Vize- Präsidenten Horstmann erlauben, der als Mäzen im Hintergrund verweilt. Seit der Unternehmer 1989 angesichts 150.000 Mark Schulden um Hilfe angefleht wurde und einstieg, „wird der Verein geführt wie ein Wirtschaftsunternehmen“ (Mannschaftsführerin Beate Bühler).

Um die Inanspruchnahme der eigenen Rücklagen schnellstmöglich zu lindern, zog der Gönner bald selbst los, unter seinesgleichen Sponsoren zu sammeln, mit dem Ergebnis, so Horstmann, „daß sich unsere erste Frauenmannschaft heute fast selbst trägt und meine Gelder nur noch an das zweite Frauen- und das Männerteam gehen“.

Die Frauen der ersten Liga kosten den Verein in der Saison 750.000 Mark, dafür bieten sie in Westfalen den besten Volleyball, den der freie Markt hergibt. Zu Beginn dieser Spielzeit wurden die Abgänge der holländischen Nationalspielerin Brinkmann und der deutschen Ex-Auswahl-Frauschaftsführerin Steyaert durch den Einkauf von deren früheren Teamkameradinnen Schmidt und Friedrichsen, der in Italien professionalisierten Radfan sowie des US-Imports Williams mehr als kompensiert.

Auch wenn man sich beim USC gegen das Image einer zusammengekauften Startruppe wehrt, ist niemand aus dem Quartett aus religiösen Gründen nach Münster gekommen und aus dem eigenen Nachwuchs seit Jahren keine in den elitären Kreis berufen worden. Für die für Volleyballfrauen fürstliche Entlohnung müssen die Spielerinnen „sponsorengerecht“ sein, was heißt, „sich mit den Produkten unserer Geldgeber zu identifizieren“ (Vize Horstmann).

Zum Erfolg des USC, gesteht der Finanzier allerdings auch, gehöre neben gutaussehenden Sportlerinnen zuweilen auch Disziplin. Um die zu wahren, habe er seinen Spielerinnen schon mal verboten, Interviews zu geben, weil sich diese zu kritisch über Bundestrainer Köhler geäußert hatten und aus der Nationalmannschaft austraten. Weil seine Stars sich in Münster mit Erfolg und Sold trotzdem wohlfühlen, verfahren sie brav wie verordnet.

Und während der forsche Vereins-Vize also mit fast väterlicher Fürsorge deren unsponsorliches Gebaren rigoros unterbindet, ist die kosmopolitische Radfan inzwischen eine Frau der westlichen Welt: „Russisch“, grinst die, „ist noch nie meine Stärke gewesen“, Italienisch hingegen in den drei Jahren Profi-Exil zur zweiten Muttersprache gereift, und während sie damals zu hochdotierten Lira-Assen keinen Kontakt bekommen durfte, wird sie am Wochenende den Ukrainerinnen kaum etwas zu sagen haben. Gewinnen aber will Ariane Radfan gegen alle, ob Cerkva, Lugansk oder Agrigento. Dafür hat man sie nach Westfalen geholt, und so wenigstens war sie früher auch schon.