Plastik für den Misthaufen

Hersteller von Verpackungen testen neuerdings Bio-Kunststoffe / Die Resultate sind gut, doch der Markt ist noch verschwindend klein  ■ Von Matthias Brendel

Einkaufstüten auf den Komposthaufen? Lebensmittelverpackungen zu Biomüll? Das Unternehmen Novamont aus Eschborn hat „Mater-Bi“, einen biologisch abbaubaren, eßbaren Müllbeutel auf den Markt gebracht. Er sieht aus wie Plastik und fühlt sich auch so an, doch auf dem Komposthaufen verrotten die Tüten zu Wasser und harmlosen Kohlenstoffverbindungen. Im Gegensatz zu anderen Kunststoffen besteht Mater-Bi nicht vorwiegend aus Rohöl, sondern aus Stärke.

Der Berliner Biologe Matthias Gliech hat im Auftrag von Greenpeace die Marktchancen für die sogenannten Bio-Polymere untersucht, vernetzte Kohlenwasserstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrüben oder Flachs, Kartoffeln oder Mais hergestellt werden. Ein wichtiges Ergebnis seiner Studie: „Die Absatzmöglichkeiten sind grundsäztlich gegeben.“ Doch seien Bio-Kunststoffe bisher „nur das grüne Aushängeschild der Hersteller und Nutzer“. Die Verwendung als Massenkunststoff sieht Gutachter Gliech „auf absehbare Zeit nicht“.

Der Markt für Bio-Polymere ist winzig. Internationale Unternehmensberater prophezeien kompostierbaren Folien und Behältern jedoch gewaltige Wachstumsraten. Rund 14.500 Tonnen betrug 1993 der europäische Absatz von Bio- Kunststoff laut einer Marktstudie von Frost & Sullivan. 1995 soll er bereits bei 29.000 Tonnen liegen.

Noch haben die wenigen Vertreiber abbaubarer Kunststoffe Probleme mit den Kosten. Der Preis von fünf bis acht Mark pro Kilo übertrifft den herkömmlicher Ware im Schnitt um das Dreifache. Der Haarpflegemittel-Hersteller Wella hat vor einem Jahr begonnen, einzelne Sorten seines „Sanara“-Shampoos in kompostierbaren Biopol-Flaschen der Frankfurter Firma Zeneca zu verkaufen. Die umfassende Einführung des Bio- Kunststoffs für die Haarpflegeserie ist jedoch vorläufig gescheitert: Das um eine Mark teurere Shampoo in Biopol-Flaschen sei nur sehr schwer verkäuflich, so das Unternehmen.

Weiterer Minuspunkt für den grünen Punkt

Bislang aber sieht die bundesdeutsche Verpackungsverordnung eine Kompostierung verrottender Kunststoffe gar nicht vor. Also ziert der Grüne Punkt die Biopol- Flasche für Sanara-Shampoo. Die Gefahr, daß Biopol die ohnehin schlechte Qualität von Recycling- Kunststoff weiter mindert, erscheint groß: Auf dem Förderband der Müllsortieranlage ist Biopol von seinen Plastik-Brüdern aus PVC, Polyethylen oder Polypropylen kaum zu unterscheiden.

Nennenswerte Absatzchancen können sich eher solche Hersteller ausrechnen, die sich von vornherein auf Marktlücken konzentrieren. So setzt Stefano Facco von Novamont auf das schrittweise Umsetzen der Technischen Anleitung Siedlungsabfall aus dem Umweltministerium. Diese Vorschrift verlangt von den Kommunen das getrennte Sammeln von Kompostmüll bis spätestens zum Jahr 2005. Wo, wie etwa in Großstädten, das Aufstellen von grünen Tonnen aus Raumnot schwierig ist, preist Facco den Mater-Bi-Beutel als „ideale Alternative: Er ist leicht, luftdicht verschließbar und zerfällt auf dem Komposthaufen gemeinsam mit seinem Inhalt zu Humus.“

Derzeit testen mehrere Städte, darunter Kempten, Fürstenfeldbruck und Wien, die Mater-Bi- Beutel als Alternative zu beschichteten Papiertüten. Rund drei Millionnen Müllbeutel hat Novamont 1993 verkauft. Demnächst, hofft Facco, könnten es über 300 Millionen sein, was einem Absatz von rund 5.000 Tonnen Mater-Bi entsprechen würde.

Auch das Hamburger Unternehmen Aeterna hat mit Erfolg eine Nische besetzt. Bis 1991 steckten die von Aeterna vertriebenen ewigen Lichte für Kirchen und Friedhöfe in Bechern aus PVC. Das gemeinsam mit dem Frankfurter Batelle-Institut entwickelte „Bioceta“ geht nach Gebrauch den Gang alles Irdischen. Entsprechend feuchte Bedingungen vorausgesetzt, verrottet der Stoff.

Gerade 140 Tonnen Bioceta verbraucht Aeterna für seine Kerzenbecher jährlich, doch Horst Achilles macht sich Hoffnungen, daß der Bio-Kunststoff noch dieses Jahr vom Brüsseler Lizenznehmer Tubize plastics als Folie produziert wird. „Dann könnte der Bedarf von heute auf morgen auf ein paar tausend Tonnen steigen“, frohlockt Achilles. Ob die Bioplaste die Umwelt tatsächlich entlasten, läßt sich freilich erst klären, wenn Energie- und Abfallbilanzen für deren Produktion offenliegen. Matthias Gliech hält zudem entgegen, daß landwirtschaftliche Rohstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. „Eines Tages“, befürchtet der Biologe, „könnte der Bedarf in Konkurrenz zur Herstellung von Nahrungsmitteln treten.“

Vorläufig kann von einem Engpaß allerdings keine Rede sein. Reinhard Seehuber vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn sieht für den vermehrten Anbau nachwachsender Rohstoffe zur Zeit „keine Probleme, weil in Deutschland immer noch landwirtschaftliche Nutzflächen stillgelegt werden“. Rund eine von einst 18 Millionen Hektar Acker- und Weideland liegen in Deutschland brach. Auf Antrag könnten die Bauern darauf Industrierohstoffe züchten. Doch nur auf 68.000 Hektar der stillgelegten Flächen werden inzwischen Stärkekartoffeln oder Raps für Biodiesel gezogen.

Eine längere Fassung dieses Textes erscheint im Greenpeace-Magazin