piwik no script img

Bonn apartAmerikanischer Preußengeist

■ Der ehemalige US-Botschafter Walters profiliert sich als Oberpreuße

Bonn (taz) – Die Ausländerpolitiker der Union verweigern sich zwar hartnäckig der Einsicht, aber es ist nun mal so: Die wichtigsten Anstöße kommen oft aus dem Ausland. So hat ein Amerikaner nun zur Bereicherung der deutschen Sprache beigetragen. Für die vor drei Jahren pompös inszenierte Umbettung Friedrichs des Großen aus der Hohenzollernburg in Hechingen in eine Gruft vor dem Schloß Sanssouci in Potsdam fand Vernon Walters, ehemaliger US-Botschafter in Bonn, das schöne Wort „Wiederbegrabung“.

Der Begriff stimmt, und das semantische Umfeld auch. Denn der heute fast achtzig Jahre alte Diplomat, der als langjähriger Berufssoldat aufrecht durch alle Fallen der deutschen Sprache schreitet, residierte zur Zeit der Wiedervereinigung am Rhein.

Gesagt hat der amerikanische Konservative das schöne Wort Mitte der Woche in Bad Godesberg. Er saß an einem Tisch mit zwei deutschen Konservativen: mit dem Berliner Preußen-Maniac und Verleger Wolf Jobst Siedler sowie mit dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble, der nicht müde wird, den Deutschen jene Tugenden zu predigen, mit denen schon die Preußenkönige ihre Untertanen malträtierten.

Siedler lobte seinen eigenen Autor, denn eben ist Walters Buch „Die Vereinigung war voraussehbar“ erschienen. Schäuble lobte den weitsichtigen Diplomaten. Und deklinierte dann am Beispiel des ehemaligen Generals und CIA-Vizedirektors wieder seinen nationalen Tugendenkatalog durch. Wenn es nach dem Fraktionschef ginge, müßten die Deutschen von Walters „Dienst am eigenen Land, Stolz auf das eigene Land“ lernen.

Entgegen allen Warnungen ist Walters damals zu der hochsymbolischen Friedrich-Umbettung nach Potsdam gefahren – als einziger Botschafter der vier Mächte. Das freut Schäuble heute noch: „Es ist großartig, daß sie dabeigewesen sind.“ Einzig einer von Walters Leibwächtern wurde damals von seinen gesunden amerikanischen Instinkten nicht im Stich gelassen. Er protestierte dagegen, daß der Botschafter beim Weg zum Preußenspektakel auch noch die Stars and Stripes auf den Kotflügel der Limousine pflanzen ließ.

Vielleicht war der Bodyguard historisch gebildet und erinnerte sich daran, daß eine US- amerikanische Regierung gemeinsam mit den anderen Alliierten nach dem Krieg aus guten Gründen den Preußenstaat für aufgelöst erklärt hatte. Hans Monath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen