„Im Herzen der blauen Banane“

Rhein-Main-Regionalkonferenz: Eine Region soll kräftig aufpoliert werden  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Alle Welt spricht – spätestens seit der geklärten Standortfrage für die europäische Zentralbank – vom Rhein-Main-Gebiet als dem ökonomischen Herzen der Republik und der Europäischen Union. Doch im Rhein-Main-Gebiet hat offenbar noch kaum ein Mensch ein regionales Bewußtsein entwickelt. Die Menschen in der neben dem Großraum Paris wohl wirtschaftlich bedeutendsten Region des Kontinents sind FrankfurterInnen, DarmstädterInnen oder auch AschaffenburgerInnen – und keine „Rhein-Main-GebietlerInnen“.

Das soll sich jetzt ändern: Drei Bundesländer – Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern – und die Oberbürgermeister von Frankfurt/ Main, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt haben sich gestern auf der ersten Rhein-Main-Konferenz am Rhein-Main-Flughafen vorgenommen, durch „interkommunale“ und länderübergreifende Zusammenarbeit zunächst vor allem das „Regionalbewußtsein“ der BürgerInnen zu befördern. Schließlich sei die Europäische Union dabei, ein „Europa der Regionen“ zu werden, meinte etwa der rheinland-pfälzische Ministerialdirektor Hans Bermeitinger. Und dieser dezentrale Ansatz sei die große Chance der Rhein-Main- Region „im Herzen der blauen Banane Europa“ – „vom Mittelmeerraum bis nach London“.

„Überdurchschnittlich hoch bewertet“ würden denn auch die Wachstumschancen der gesamten Region, meinte der hessische Minister für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Jörg Jordan (SPD). Doch auch die Risiken einer solchen Entwicklung seien nicht zu unterschätzen. Nach einer von den Oberbürgermeistern schon 1991 in Auftrag gegebenen Studie ist für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet der eklatante Mangel an bezahlbarem Wohnraum das größte Problem.

Doch die von allen Beteiligten als dringend notwendig erachtete Ausweisung neuer Wohnungsbaugebiete und auch Gewerbeflächen beißt sich nicht nur mit den sogenannten „weichen Standortvorteilen“ wie etwa den erhaltenswerten zusammenhängenden Waldgebieten, den für das Binnenklima wichtigen Freiflächen und den schnell erreichbaren Naherholungsarealen. Die Oberbürgermeister und Landesminister wollen auch an der „polyzentrischen Struktur“ der Region festhalten.

„Rhein-Main City“ soll demnach im Dreieck zwischen Aschaffenburg, Mainz/Wiesbaden und Darmstadt nicht entstehen, denn das differenzierte Erscheinungsbild der einzelnen Städte und Gemeinden in der Region sei gleichfalls ein Standortvorteil.

Doch auf Dauer, so etwa Bermeitinger, sei es der ökonomischen Potenz der gesamten Region nicht mehr angemessen, wenn etwa Frankfurt am Main nur mit Geld und Mainz nur mit der „Fassenacht“ in Verbindung gebracht würden. Die Region als Lebensraum begreifen, heißt die Devise: In Darmstadt wohnen, am Nachmittag in Wiesbaden flanieren und am Abend in Frankfurt in die Alte Oper gehen.

Daß zur Realisierung solcher Visionen vor allem der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut und koordiniert werden muß, war ein Ergebnis der Konferenz – und die bevorstehende Gründung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) sei ein „erster Schritt“ hin zu Nahverkehrsverhältnissen wie etwa in Berlin, wie der Mainzer Oberbürgermeister Weyel anmerkte. Doch gerade der RMV ist auch ein Beispiel dafür, daß die Kirchturmpolitik noch lange nicht ausgestorben ist. Der funktionierende Verkehrsverbund Mainz/ Wiesbaden will sich am RMV nicht beteiligen. Rheinland-Pfalz blieb komplett draußen vor der Tür. Und wenn der für den Freistaat Bayern angereiste Staatssekretär Engelhardt von „der Region“ sprach, meinte er immer nur die bayerische Region Untermain.

Einen „ersten Erfolg“ (Weyel) gab es allerdings auch schon zu vermelden: Erstmals wird die Region Rhein-Main einen eigenen Stand auf der Touristikbörse in Berlin einrichten. Und auf der Ebene der Staatstheater, so Weyel, klappe die Spielplanabstimmung schon vorzüglich – immerhin!