Erkrankte Organe erhalten - möglichst ohne radikale Schnitte

■ Beim 21. Deutschen Krebskongreß in Hamburg stehen neue Behandlungsmethoden im Vordergrund

Im Zeitalter von Aids wird häufig verdrängt, daß es noch eine Auto-Immun-Krankheit gibt, die der Menschheit ebenfalls stark zu schaffen macht: Krebs, im Medizin-Jargon Karzinom genannt. Jede zehnte Frau leidet an Brustkrebs; jedes Jahr bekommen 0,1 Prozent der Männer ein Bronchialkarzinom – in Hamburg wäre dies eine jährliche Zuwachsrate von rund 700 männlichen Lungenkrebs-Erkrankten. Die Tendenz von Karzinom-Erkrankungen ist steigend - Forschung und ärztliche Fortbildung scheinen nötiger denn je.

Heute abend wird der 21. Deutsche Krebskongreß im Congress Centrum Hamburg CCH eröffnet. Von Dienstag bis Freitag werden über 500 Vorträge den aktuellen Wissensstand der Onkologie (Krebsforschung) zeigen. Professor Michael Wannenmacher, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Leiter des Kongresses, erwartet rund 3000 TeilnehmerInnen. Ziel des Kongresses ist die ärztliche Fortbildung, aber auch für PsychologInnen, medizinisch-technische AssistentInnen und Laien stehen Informationsveranstaltungen auf dem Programm. (Das „Forum für alle“ findet am Freitag von 15 bis 17.30 Uhr im Saal 2 des CCH statt.)

Die Risikofaktoren für die Entstehung von Karzinomen sind weitgehend bekannt: Die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs erhöht sich mit dem Rauchen, Magen-Darm-Karzinome werden durch einseitige Ernährung und Alkohol gefördert, beim Brustkrebs wird eine hormonelle Ursache vermutet. Deshalb liegen die Schwerpunkte des diesjährigen Krebskongresses auch nicht so sehr in der Ursachenforschung, sondern eher in den therapeutischen Maßnahmen. Wohl auch im Hinblick auf den Strahlen-Skandal im UKE nannte Wannenmacher die Qualitätskontrolle der Krebs-Behandlung als eines der wichtigen Themen: Ziel müsse es sein, den „Gold-Standard“ in der gesamten BRD gewährleisten zu können.

Neben der Früherkennung spielt die sogenannte Organ-erhaltende Onkologie bei der Behandlung eine immer größere Rolle. Die befallenen Organe sollen nicht mehr entfernt werden – eine Maßnahme, die besonders bei Brustkrebs häufig zu schweren psychischen Belastungen der Frauen führt – vielmehr sollen alternative Therapien, auch abseits der Strahlen-Behandlung, erprobt werden.

Eine Möglichkeit ist das endoskopische Operieren. Dabei kann mit speziellen Instrumenten durch kleinste Einschnitte in den Körper Gewebe entfernt werden. Nachteil: Die Operierenden haben keine gute Übersicht über das gesamte Operationsgebiet. Eine andere Alternative zum radikalen Entfernen bieten zwei andere, noch zu erprobende Verfahren.

Eines davon ist die gentechnische Manipulation des Tumors, die bei Tierexperimenten „vielversprechende Erfolge“ (Wannenmacher) zeigte. Wannenmacher bemängelt allerdings das „Forschungsdefizit durch den politischen Rahmen“, gemeint ist hiermit wohl die Forderung vieler GentechnikerInnen, endlich die gesetzliche Beschränkung der Forschung auf Tiere aufzuheben, um Genexperimente auch am Menschen zu ermöglichen. Eine andere neue Möglichkeit der Krebsbehandlung sieht Wannenmacher in einer Methode, bei der Trägersubstanzen spezielle Medikamente (Cytostatika) direkt an den Tumor bringen: Die chemischen Stoffe gelangen genau dorthin, wo sie wirken können, ohne Nebenwirkungen in anderen Körperregionen zu verursachen.

Weitere Themen des Kongresses sind die Prävention von berufsbedingtem Krebs, die Behandlung mit Wärme (Hyperthermie-Therapie), neue Methoden der Früherkennung wie zum Beispiel das Screening mit spezifischen Antigenen und die Behandlung von Krebs-Metastasen in Gehirn und Rückenmark.

Außerdem stellt die Pharma-Industrie einige ihrer neuen Medikamente vor, und es kann das Computer-Expertensystem „Onko-Help“ in Augenschein genommen werden. Dieses EDV-Programm kann anhand eingegebener Daten Karzinome diagnostizieren und Hilfestellung bei der Therapie-Auswahl geben.

Annette Bolz