Fußtritte abgesegnet

■ Körperverletzung: Verfahren eingestellt

Richter Werner Raudszus hält die Geschäftszeit des Hamburger Landgerichts penibel ein. Genau fünf Minuten vor ein Uhr entläßt er am Freitag Zeugin Judith D., die mit den Tränen kämpft. Er hatte die Schülerin gar nicht zur Sache gehört, obwohl sie in der Berufungsverhandlung gegen Fernfahrer K. die Geschädigte ist. K. wird der Körperverletzung beschuldigt. Das Amtsgericht hatte ihn zu einer Geldstrafe verurteilt.

Im Herbst 1992 war die Schülerin mit Freund Tim P. auf Rollschuhen in Eimsbüttel unterwegs. Ein Wagen überholte hupend, zwei Männer sprangen heraus. Vater K. stürzte sich auf Tim P. - K. junior versetzte Judith D. heftige Tritte in die Nieren und an den Oberschenkel. Die Schuhe, die immer wieder nach ihr traten, kann sie bis heute nicht vergessen. Judith D. kroch unter ein Auto, um den Tritten zu entgehen. Richter Raudszus interessierte das nicht. Das Opfer mußte eine Stunde im kalten Gerichtsflur warten.

Währenddessen beschäftigt sich der Richter mit Tim P. “Ich könnte Sie jetzt fragen, ob Sie gedient haben“, fragt er völlig zusammenhanglos. Als Tim P. aussagt, er fühlte sich von den beiden Männern „konstant bedroht“, bäumt sich Richter Raudszus vor ihm fäusteschwingend auf: “Ist das für Sie schon eine Bedrohung?“ Der Zeuge, nach diesem Scheinangriff sichtlich verwirrt, nimmt seinen ganzen Mut zusammen und bestätigt seine frühere Aussage. Er habe gesehen daß getreten wurde.

Der Angeklagte stellt dies anders dar. Sie seien ausgestiegen, um die Rollschuhfahrer darauf hinzuweisen, daß sie nicht auf der Straße fahren dürfen. „Daß es sich um ein Mädchen handelte, das konnten wir ja nicht ahnen“, sagt Mutter K. aus. Bleibt der Arztbefund, der schwere Blutergüsse bescheinigt. Doch: „Blaue Flecken“ kann man ja auch bekommen, wenn man unter Autos kriecht. Und so etwas wird strafrechtlich nicht verfolgt. Entscheidend ist für Richter Raudszus ein pünktlicher Beginn des Wochenendes. Das Verfahren wurde eingestellt.Judith Wentzel