Leos Lichtblicke

VfB Leipzig – Borussia Dortmund 2:3 / Abstiegsstimmung beim VfB trotz Jürgen Wundermann  ■ Aus Leipzig Peter Tietze

Das Leipziger „Zentralstadion“ kann deprimierend sein. Der Besuch von 18.000 Zuschauern ist für einen abgeschlagenen Tabellenletzten eigentlich nicht schlecht. Eigentlich faßt das größte Stadion der Republik jedoch 100.000 Zuschauer. Allerdings darf das Stadion wegen der Sicherheitsauflagen des DFB nur noch von 36.000 besucht werden. Das Publikum verliert sich fast in einem Rund, das so groß ist, daß man auf den letzten Rängen nicht einmal mehr die Rückennummern der Spieler erkennen kann. Vielleicht war das beim Spiel des VfB Leipzig gegen Borussia Dortmund ganz gut so, denn von technischen Feinheiten, schönen Dribbelkünsten oder perfekten Kombinationen war selbst von den guten Plätzen nichts zu sehen.

Beide Mannschaften hatten einen Sieg bitter nötig. Leipzig wollte wenigstens noch seine kleine Chance auf den Klassenerhalt wahren; Dortmund braucht den Erfolg, um im nächsten Jahr zumindest im UEFA-Cup mitzuspielen. Es wurde ein hartes Spiel (fünf gelbe Karten) mit zum Teil üblen Fouls wie zum Beispiel das aussichtslose Grätschen nach dem Ball, beliebt vor allen Dingen die Variante „Gestrecktes Bein auf die Knochen des Gegners“, vorzugsweise im Mittelkreis. Der große Abstand zum Spielfeldrand ließ die Leipziger Fans aber nicht weniger leiden, denn ihre harmlosen Mannen verloren mit 2:3.

Der neue VfB-Trainer Jürgen Sundermann konnte es nach dem Spiel kaum fassen: „Mir ist nicht klar, warum die Spieler, wo es doch um ihren Job geht, nicht kämpfen.“ Die Leipziger hatten den Dortmundern nur in der ersten Halbzeit Widerstand geleistet und die zweite dazu genutzt, die Borussen so zu unterstützen, daß diese mit gestärktem Selbstvertrauen in die nächsten Spiele gehen können. Einen angenehmeren, sprich: inkonsequenteren Gegner hätten die auch nicht gerade berauschend spielenden Dortmunder nirgends finden können.

Dabei hatte für den VfB Leipzig alles so gut angefangen. Die Dortmunder waren genauso hilf- und harmlos wie gegen Inter Mailand drei Tage zuvor. Sie hatten neben dem gesperrten Matthias Sammer und dem verletzten Karl-Heinz Riedle nach bereits dreißig Minuten auch noch Poschner (Zerrung) durch Lothar Sippel ersetzen müssen. Die Borussia, ihrer beiden besten Spieler des Mailand-Spieles beraubt, schwamm in der Abwehr und leistete sich viele Fouls. In der 30. Minute war es dann so weit: ein Kopfball von Pancev – der ansonsten völlig unterging und nur durch provozierte und provozierende Fouls in Erscheinung trat – ging an den Pfosten, Steffen Heidrich staubte zum 1:0 ab. Einzig BVB- Torwart Stefan Klos zeigte Normalleistung und verhinderte einen größeren Rückstand zur Halbzeit.

Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld muß in der Pause seinen Spielern – denen er nach dem Spiel für die erste Halbzeit „pure Angst“ attestierte – ordentlich den Kopf gewaschen haben. Denn als die Mannschaften zur zweiten Halbzeit wieder aufs Feld kamen, war nichts mehr so, wie es einmal war. Dortmund erzielte bereits in der 47. Minute durch einen schönen Lupfer von Stéphane Chapuisat über Maik Kischko den Ausgleich. Einem Unentschieden stand eigentlich nichts mehr im Weg, denn lediglich Leipzig griff noch an, wenn auch ziemlich planlos. Dortmund riskierte nichts, startete aber gelegentlich aus einer massiven Abwehr – die Ersatz-Libero Stefan Reuter gut organisierte – geschickte Konter über die schnellen Stürmer Chapuisat und Povlsen und wurde dabei großzügig durch individuelle Fehler der Leipziger unterstützt.

VfB-Keeper Kischko unterlief beim 2:1 für Dortmund ein katastrophaler Fehler, als er sich bei einem Konter verschätzte und den Ball verfehlte, den Lothar Sippel dann abgebrüht ins Tor schob. Nach diesem Tor brach das Selbstvertrauen der Gastgeber endgültig zusammen. Einzig Routinier Matthias Liebers versuchte, das Spiel noch herumzureißen. Dortmund, mit einem zumindest in der zweiten Halbzeit glänzend aufgelegten und bei beiden Sippel-Toren „tödliche“ Pässe spielenden Leonardo „Leo“ Rodriguez als Lichtblick, ließ sich auch durch das Anschlußtor nicht aus der Ruhe bringen.

Kunststück bei einer indisponierten Leipziger Mannschaft, die sich schon aufzugeben scheint. Der Abstieg in die 2. Liga scheint, zumindest in den Köpfen der Spieler, schon beschlossene Sache. Da kann auch „Sundermann, der Wundermann“ nichts mehr retten.

Borussia Dortmund: Klos - Reuter - Kutowski, Schmidt - Freund, Zorc, Rodriguez (84. Zelic), Franck, Poschner (33. Sippel) - Chapuisat, Povlsen

Tore: 1:0 Heidrich (30.), 1:1 Chapuisat (47.), 1:2 Sippel (72.), 1:3 Sippel (74.), 2:3 Anders (80.)

VfB Leipzig: Kischko - Lindner - Edmond, Trommer - Hecking, Rische, Heidrich, Anders, Gabriel - Franklin (69. Liebers), Pancev