■ Kompromiß mit Schönheitsfehlern beendet Metallkonflikt
: Urne statt Streik

Es ist vollbracht. Statt in den Ausstand treten die Metaller an die Urne, um über das Verhandlungsergebnis abzustimmen. Daß sie es absegnen werden, bezweifelt kaum einer. Politiker und Gewerkschafter haben bereits Zustimmung und Erleichterung signalisiert. Es kehrt wieder Ruhe ein im Land.

Anlaß genug, um aufzuhorchen. Sind Betroffene und Beobachter nicht mit besonders hohen Erwartungen in diese Tarifrunde gegangen? Ist sie ihnen nicht mit einer Reihe von Superlativen schmackhaft gemacht worden? Vom härtesten Tarifkonflikt seit zehn Jahren ist die Rede gewesen. Die kampferprobteste Gewerkschaft aus dem Hause DGB, gleichzeitig die größte Einzelgewerkschaft der Welt, war angetreten, um den Arbeitgebern in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit Wegweisendes abzuringen. Auf die sozial- und wirtschaftspolitischen Implikationen des Geschehens wurde wiederholt hingewiesen.

Große Erwartungen wurden geweckt – und enttäuscht. Was Arbeitgeber und Gewerkschafter letztlich präsentiert haben, liest sich wie ein Flickwerk aus bereits vorliegenden Tarifverträgen, allen voran dem VW-Modell. Das Schlimmste ist abgewendet worden, innovative Inhalte sucht man vergebens. Früher haben die Solidarpartner mit Bravour den Überschuß verteilt. Heute verwalten sie gekonnt den Mangel. Mußte dafür der Konflikt bis zu Beinahe-Streik und Aussperrung eskalieren?

Außerdem präsentiert sich das Vertragswerk nicht ohne inhaltliche Schönheitsfehler. Nach den Worten der IG Metall haben die Arbeitslosen jederzeit mit am Tisch gesessen. Doch wo waren sie Freitag nacht? Mit der Option auf Arbeitszeitverkürzung lassen sich vielleicht Arbeitsplätze erhalten, ganz sicher aber keine schaffen. Dazu hätte es eines allgemeinen und drastischeren Einschnitts bei der Arbeitszeit bedurft. Die ausgehandelte Beschäftigungssicherung hingegen bezahlen manche Betroffene übermäßig teuer. Das Gesundschrumpfen von 36 auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich addiert sich zu Einbußen von 20 Prozent. Bei Familieneinkommen von 3.000 Mark brutto wird es dadurch zu Härtefällen kommen.

Nachdenklich stimmt jedoch vor allem, daß IG Metall und Gesamtmetall sich offenbar damit abgefunden haben, daß Visionen nicht tarifierbar sind. Und falls einige Optimisten vermuten, daß der große qualitative Durchbruch lediglich auf das nächste Tarifjahr verschoben wurde: Bei weiter steigender Arbeitslosigkeit in einer zunehmend krisengebeutelten Branche ist zu befürchten, daß die Runde '95 eher noch dürftiger ausfallen wird. Silvia Schütt