■ Töpfer weist Fischer an, Biblis A ans Netz zu hängen
: Machtwort

Die föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland ist – wenn es um politische Grundsatzentscheidungen geht – eine Chimäre: Bundesrecht bricht Landesrecht. Gegen die Entscheidung eines Bundesgerichts, einer Bundesbehörde oder gegen eine Rechtsnorm des Bundes kann keine der mittlerweile sechzehn Landesregierungen intervenieren – auch wenn eine solche Entscheidung oder eine Rechtsnorm gegen Bestimmungen der Länderverfassungen verstoßen sollte. Das kann ein Segen sein, wenn etwa eine Landesverfassung – wie in Hessen – der Judikative noch immer das Recht auf die Verhängung der Todesstrafe zubilligt. Das kann aber auch ein Fluch sein – etwa im Fall Biblis A.

Da kamen in Hessen zwei Landesregierungen trotz divergierender politischer Zusammensetzung (CDU/ FDP und SPD/Grüne) zu dem einhelligen Schluß, daß der Altmeiler Biblis A ohne die Umsetzung diverser Sicherheitsauflagen ab Februar 1994 stillgelegt werden müsse. Drei Jahre hatte die Betreibergesellschaft RWE Zeit, diese Sicherheitsauflagen aus dem Hause Weimar (CDU) zu realisieren – doch (fast) nichts ist in diesen drei Jahren geschehen. Um seinem Verfassungsauftrag – Schutz der hessischen Bevölkerung – gerecht zu werden, hatte der hessische Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) deshalb in der vergangenen Woche die „vorübergehende Stillegung“ von Biblis A verfügt. Doch Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hat seinen hessischen Amtskollegen angewiesen, den Uraltreaktor noch in dieser Woche wieder ans Netz gehen zu lassen.

Den Gang nach Karlsruhe kann sich Fischer sparen. Klagen gegen Bundesanweisungen wurden vom Bundesverfassungsgericht (BVG) in der Vergangenheit regelmäßig unter Berufung auf den entsprechenden Artikel im Grundgesetz – Bundesrecht bricht Landesrecht – abgeschmettert. Der Mühe einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten der von einer bundeshoheitlichen Entscheidung „überfahrenen“ Landesregierungen hat sich das BVG dabei nie unterzogen. Im Gegenteil: Selbst wenn es sich um eine rechstwidrige Anweisung einer Bundesbehörde handeln sollte, so das BVG, habe eine Landesregierung keine Chance, sich dieser Anweisung zu widersetzen.

Was zu tun bleibt, hat Joschka Fischer vorformuliert. Am 16. Oktober bei der Bundestagswahl würden die politischen Karten neu gemischt. Und danach gibt es vielleicht einen Bundesumweltminister, dem dann die Umwelt und die Menschen wichtiger sind als die monetären Interessen eines Atomstromers aus Essen: Vox populi – die Hoffnung nicht nur der ohnmächtigen LandespolitikerInnen. Klaus-Peter Klingelschmitt