Spülhände, kunstverschmiert

■ Bremer Künstlerinnen zwischen Schrottplatz und Hi-Tech-Atelier/ Viele Alleinstehende schmeißen den Pinsel hin

Die eine liebt es, Schwermetall „durch die Gegend zu wuppen“; die andere hantiert mit Hi-Tech & anderem elektronischen Gerät und findet's dann auch noch erotisch. Anja Fußbach und Marikke Heinz-Hoek arbeiten als Künstlerinnen mit Medien, die traditionell eher in Männerhänden liegen. Sie diesen zu entreißen, erwies sich allerdings als gar nicht so schwierig. Dafür schlagen sich beide mit jenen Problemen herum, die den Frauen das ohnedies harte Künstlerdasein nochmals nachhaltig versauern: Ohne die Unterstützung eines betuchten Partners sind die Spielräume für eine künstlerische Entwicklung eng – und wehe, es kommen noch Kinder ins Spiel. Beim Bremer BBK meldet man rückläufige Künstlerzahlen; vor allem alleinstehende Frauen sind es, die ihr Atelier aufgeben und den Beruf – erstmal – zurückstellen. Und trotz ihrer Eigenständigkeit sind auch Frauen wie Anja Fußbach und Marikke Heinz-Hoek der Existenzsorgen nicht ledig.

Anja Fußbach lebt seit ein paar Jahren z.B. mit der Vorstellung, schlicht das Dach überm Kopf (und überm Atelier) zu verlieren. Seit 1989 wohnt sie im besetzten Haus im Buntentorsteinweg 372; 1991 baute sie sich die alte Schmiede im Hinterhof zur Metallwerkstatt aus; und in wenigen Wochen kann sie das alles verlieren. Der Prozeß der Stadt gegen die Frauengemeinschaft beginnt am 15.3. Am Frauenstreiktag? Da arbeiten die Bewohnerinnen an Presseerklärungen, um die drohende Räumung samt Abriß noch abzuwenden.

Denn für Anja Fußbach ist das alte Neustädter Haus zu einem „Freiraum“ geworden, in dem ihre künstlerische Arbeit erst richtig in Gang gekommen ist. Erstmal, weil richtig Platz da ist, um sich auszubreiten: „Du kannst ja nicht überall mit Metall arbeiten.“ Vor allem dann nicht, wenn man sperrige Schrottteile über alles liebt: „Ich steh' auf bombastische Sachen, um die du einfach nicht herumkommst.“ Zweitens erwies sich die männerfreie Zone als recht förderlich. „Da kommst du nicht in die Gefahr, daß dir was aus der Hand genommen oder toterklärt wird, bis du schon keinen Bock mehr hast.“

So hat sie sich das Schweißen eben selbst beigebracht. Aus dem Lagerhaus lieh sie das Schweißgerät, vom Schrott holte sie rostige Rohre, Zahnräder und Bleche („mich interessiert, was an Einzelteilen von unserer Kultur übrigbleibt“), fing an, „und hab' nicht mehr wieder aufgehört.“ Inzwischen gibt sie selbst Schweißkurse für Frauen. Ihre Schrottobjekte verkaufen sich sogar ganz gut. „Hier im Haus kann ich einigermaßen davon leben“, sagt sie, „aber wir müssen ja über kurz oder lang mit der Räumung rechnen; und dann wirds schwierig“ – wenn sie Wohnungs- und Werkstattmiete zahlen soll. Die fehlende Einbindung ins handelsübliche Galeriesystem vermißt sie überhaupt nicht. Hart ist es allein, „daß es nicht selbstverständlich ist, daß Frauen so einen Platz wie diesen hier haben“.

Ihren Handlungs-Spielraum hat sich auch Marikke Heinz-Hoek erobern müssen. „Manche Freunde meiner Bilder haben da sehr verschreckt reagiert“, als die Künstlerin nämlich zur Videokamera griff statt zum Pinsel. Frauen und Technik! Und dann noch Videokunst! Modisches Spielzeugs! Die Gemälde und Zeichnungen waren doch so schön...

Das war schon fast „wie Fremdgehen“, sagt Heinz-Hoek. Aber sowas liebt sie ja gerade: zwischen den Medien spazierenzugehen. Mit leichten Vorlieben für die sog. „neuen Medien“. Wo doch die gesamte Kameratechnik, ja: der Film- und Videoapparat an sich für den männlichen Blick steht. „Männer“, sagt Heinz-Hoek, „verfallen grundsätzlich eher den technischen Effekten; Frauen setzen diese so ein, daß es einen Sinn macht.“ Zumal es sich auf diesem relativ jungen Feld der Kunst für Frauen noch unbeschwert ackern läßt, weil auf ihm noch keine größere kunsthistorische (= abermals männerbestimmte) Last ruht.

Soweit die Theorie. In der Praxis mag sie am Video vor allem die Fähigkeit zur Distanzierung. Ohne selbst zur eiskalten Beobachterin zu werden. Mancher Kunstbetrachter stoße sich bei ihren Installationen „an der coolen Präsentation der Apparate“. Das empfindet sie anders: „Die Spannung, die sich dabei aufbaut, hat ja auch was Erotisches; es ist eben eine andere Sinnlichkeit, die da –rüberkommt.“

Das begreifen jetzt doch ein paar Leute mehr im Lande, glaubt Heinz-Hoek. Zumindest spürt sie, dank ihrer beharrlichen Arbeit, mehr Anerkennung als noch Mitte der 80er Jahre. Leben könnte sie von ihrer immateriellen Kunst allein allerdings kaum. Kunstvideos gelten als schwerverkäuflich; für einzelne Performances lassen sich immerhin Auftraggeber finden. „Wenn ich nicht über meine Ehe finanziell abgesichert wäre, könnte ich auf diesem Level nicht künstlerisch arbeiten.“ In Bremen schon gar nicht. Drum fährt sie heute wieder mal außer Landes: nach Kassel, um dort – gemeinsam mit drei weiteren Frauen – ihre „Feldforschung Hausfrauenkunst“ fortzuführen.

Thomas Wolff