Abtreibung unter Schmerzen

■ Unklare Kostenübernahme ließ bis 1.März Frauen die Vollnarkose sparen

Die Entscheidung für eine Abtreibung bedeutet für Frauen auch körperliche Schmerzen. Der niedergelassene Frauenarzt Franz Burtscheidt ist empört: Seit der Schwangerschaftsabbruch privat bezahlt werden muß, häufen sich in seiner Praxis Fälle, in denen Patientinnen lieber Schmerzen ertragen, anstatt für eine Vollnarkose zu zahlen. Denn die kostet die Frauen runde 250 Mark, die sie zusätzlich zu den 400 Mark für den Eingriff bezahlen müssen – für manche viel Geld. „Überhaupt dreht sich alles um Geld“, sagt er. Dabei gäbe es gerade im Schwangerschaftskonflikt wichtigere Dinge zu klären.

Das und die Tatsache, daß viele Frauen möglichst lange verdrängen, wie der Eingriff tatsächlich vor sich geht, führt nach Ansicht des Gynäkologen dazu, daß in seiner Praxis über die Hälfte der Frauen erst in letzter Minute die Vollnarkose wählt – viele erst am Operationstag. „Manche liegen sogar schon auf dem Operationstisch“, sagt Franz Burtscheidt. Ihm machen diese Bedingungen auch zu schaffen: „Operieren sie mal eine Frau, die vor dem Eingriff Angst hat, aber sich aus Geldgründen keine Vollnarkose leistet.“ Ursula Auerswald, die Anästhesistin, hat in manchen Fällen schon spontan zur Spritze gegriffen – „aus medizinischen Gründen“, sagt sie. Sie ist entsetzt über die neue Entwicklung: „Was den Frauen zugemutet wird, ist ungeheuerlich.“

Die Situation für ungewollt Schwangere ist insgesamt demütigender geworden – das merken die Mitarbeiterinnen in der Praxis auch am Verhalten der Frauen: „Neuerdings rechtfertigen sich die meisten Frauen gleich beim Anruf dafür, daß sie abtreiben müssen. Dabei ist eine Abtreibung doch kein Gnadenakt.“

Ebensowenig wie die Vollnarkose. Für die gäbe es nach Burtscheidts Meinung in vielen Fällen auch medizinische Indikationen. Außerdem hören die Frauen bei lokaler Betäubung jedes Geräusch – und spüren Schmerzen: „Es tut immer weh, wenn der Muttermund geöffnet wird.“

An der Misere von zunehmender Demütigung und wachsendem Schuldgefühl sei die Zwangsberatung schuld, findet Franz Burscheidt und gerät in Rage: „Leben, Mord und Totschlag, das sind im Zusammenhang mit einer Schwangerschaftsunterbrechung doch demagogische Wortverdrehungen.“ Und daß die Frauen sich in der Beratung anhören müssen, werdendes Leben zu töten – „das ist ungeheuerlich“. Denn bei keinem anderen operativen Eingriff würde einer Patientin solch psychischer Druck gemacht.

Bis vor kurzem haben den vor allem Frauen aus dem Bremer Umland erlebt, berichtet der Arzt. „Manche Sozialämter stellten willkürliche Übernahmebescheinigungen aus.“ Nur bis zu 100 Mark beispielsweise durfte der Eingriff danach kosten. Noch schlimmer aber sei es gewesen, wenn Gemeindevorsteher, „Sozialamt und Bürgermeister in Personalunion“, willkürliche Verfügungen notierten. Darüber, bis wann der Eingriff vorüber sein müsse beispielsweise – „reine Schikane“.

Damit ist es seit dem 1. März vorbei: Nun können Frauen in einem unbürokratischen Verfahren bei ihrer Krankenkasse den Berechtigungsschein über 420 Mark beantragen. Gleichzeitig wurde die Einkommensgrenze in Bremen und Niedersachsen von 966 auf 1.450 Mark angehoben. „Wir sind über diese Regelung zufrieden“, sagt Hanna Staud-Hupke von der Bremer Pro Familia. Nun ist abzusehen, daß Außenstände auch von den niedersächsischen Sozialämtern beglichen werden. Bislang hatte Pro Familia darauf verzichtet, die Ämter zu verklagen: „Dann wäre die Anonymität der Frauen aufgehoben worden. Das wollten wir vermeiden.“

Eva Rhode