Geschlechterbürokratie Von Mathias Bröckers

Die siebte Frauenleiche wurde gestern im Haus eines Bauunternehmers im englischen Gloucester entdeckt. Daß ausgerechnet am Frauenstreiktag ein Erbe von Jack the Ripper Schlagzeilen macht, ist natürlich ein Zufall – und doch können sich die streikenden Schwestern keine bessere Propaganda wünschen. So also geht das perverse Patriarchat mit der unterdrückten weiblichen Mehrheit um: wer nicht spurt, wird aufgeschlitzt. Und doch bin ich froh, daß es ein Ripper war, der in Gloucester wütete, und keine Ripperin – nicht aus der heimlichen Angst ums Schwänzchen, sondern aus der begründeten Furcht vor der Heldinnenverehrung, die darob eingesetzt hätte: Eine Lady, die Ehemänner und Domestiken reihenweise ermordet, wäre schnurstracks zur Titelheldin Dutzender feministischer Thriller mutiert. So aber bleibt, nach dem genüßlichen Leichenfledder durch die Boulevardpresse, der Täter vor der Medien-Mythologisierung vermutlich verschont und wandert als gefährlicher Irrer in die Psychiatrie oder ins Zuchthaus.

Je stärker die Frauen werden, desto heftiger schlagen die Männer zurück – auch wenn der Mordfall ein Ausrufezeichen hinter diese Parole zu setzen scheint, mit dem aktuellen „Geschlechterkrieg“ hat er soviel zu tun wie die Sklavenhaltergesellschaft mit dem Zeitalter der Tarifautonomie. Auch wenn brutale Apartheid noch nicht ausgestorben ist, überwiegt die zivilisierte, bürokratische Regelung von Konflikten bei weitem. Es gibt Paare, gegen deren buchhalterische Aufrechnung der Haushalts- und Erziehungstätigkeiten das Feilschen der Tarifparteien um Zehntelprozentpunkte und Urlaubsminuten geradezu leger wirkt. Da werden Streicheleinheiten für die Kinder mit Reparaturen an der Wasserleitung verrechnet, Solo-Urlaub mit Strafzoll in die Gemeinschaftskasse belegt und die 50/50-Quote bei der arbeitsteiligen Kinderaufzucht auf den Pfennig genau berechnet. Da beide Parteien an ihrer Bereitschaft zu Streik und Aussperrung keine Zweifel lassen, gerät das Tarifgefüge selten auseinander. Ein Gleichgewicht des Schreckens garantiert „perfekte“ Gleichberechtigung. Leistungen wie diese werden die Elias-Nachfolger dereinst fraglos als große Zivilisationsleistung des 20. Jahrhunderts betrachten: die Vermännlichung der Frau und die Verweiblichung des Mannes, geregelt durch ein subtiles Gefüge von Tarifabsprachen, die friedliche Bürokratisierung des Geschlechterkampfs. Große Chancen zur Entfaltung wird diese Kulturtechnik allerdings nicht haben: Spätestens wenn ein funktionstüchtiger künstlicher Uterus fertig entwickelt ist, können auch Schwangerschafts- und Geburtskosten anteilmäßig korrekt verrechnet werden. Und weil die Gentechniker ja auch nicht schlafen, werden sie bis dahin vielleicht schon einen Typus von Männern und Frauen entwickelt haben, die das Quoten-Gen von Anfang an intus haben und gar keine Chance, sich zu hirnlosen Mackern oder bewußtseinslosen Weibchen zu entwickeln. 50 Prozent Frauen in den Führungsetagen und 50 Prozent Männer an den Kochtöpfen – und alles eitel Sonnenschein? Diese Welt hätte sicher viele Vorteile, und verrückte Frauenmörder kämen wegen strenger Qualitätskontrollen kaum noch vor – aber sie wäre auch grauenhaft langweilig.