■ Das Portrait
: Swetlana Aiwasowa

Feministinnen wie Swetlana Aiwasowa gibt es in Rußland erst wenige. Die Durchschnittsrussin stellt sich darunter immer noch eine Furie vor, die Büstenhalter ankokelt. Dabei ist Swetlana sicher: „In unserer Gesellschaft gibt es heute ein starkes Bedürfnis nach Feminismus.“ Swetlana hat Grün an den Fenstern und Grün vor den Fenstern, dazu honigfarbene Möbel und sehr dunkle Augen. Deren Strahlen intensivieren sich, wenn sie von ihren Lieblingsprojekten redet. Demnächst wird sie eine Anthologie mit Texte russischer Feministinnen aus der Zarenzeit herausgeben. Im vorigen Jahr betreute Swetlana die erste russische Ausgabe von Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“. „Natürlich“, sagt sie, „helfen Theorien beim Leben“. Seit etwa zwei Jahren diskutieren Weiblein und Männlein einmal monatlich im „Club F1“ über Geschichte und soziale Stellung der Frau in Rußland. Die Chiffre steht für „Erster Feministischer Club Rußlands“. Auch dieser Post-Perestroika-Salon geht auf eine Initiative von Swetlana zurück. „Bei uns sprach zum Beispiel die Filmwissenschaftlerin Maja Turowskaja über die Frau als Mörderin im Film. In westlichen Filmen schießen die Frauen mit Pistolen. Bei uns aber vergiften oder erdrosseln sie ihre Opfer. Letzteres auch schon mal mit einem Kissen. Kissen!“ wiederholt sie mit Entsetzen: „Daß man unseren Filmheldeinnen so etwas als Mordwaffe in die Hand drückt!“

Swetlana war Frankreichspezialistin am „Institut für die internationale Arbeiterbewegung“ und schrieb Anfang der 60er Jahre ihre Diplomarbeit über Blanqui. Darauf heiratete sie, gebar einen Sohn und beendete nach Jahren eifriger Mutterschaft und schlichter Hilfsarbeiten ihre Dissertation über den Pariser Mai 1968. Das brachte Swetlana auf ihr Thema: Frauen-Power in Rußland. Die Patentlösung

Soziologin in Moskau Foto: V. Kosinski

für Rußlands Misere erblickt die Soziologin in einer Duma mit mindestens 50 Prozent Frauen. „Während die Männer unser Land auf den Hund brachten, haben die Frauen daheim die Familienbudgets verwaltet. Nie haben sie Geld ausgegeben, das sie nicht besaßen, Unnützes wurde nicht angeschafft. Dem russischen Staat fehlt der haushälterische Frauenblick.“ Barbara Kerneck