Editorial

Frauenstreik am 8. März: Nach spektakulären und hausgemachten Anlässen in der taz, das Geschlechterverhältnis neu zu bedenken, ein geradezu konventionelles Datum, dieser Internationale Frauentag. Wir waren uns schnell darüber einig, daß zu dieser Ausgabe Frauen und Männer Beiträge liefern sollten, die taz-Frauen andererseits aber am Frauentag selber nicht ihre normale Arbeit machen (weshalb die morgige Ausgabe vielleicht anders aussehen wird als gewohnt). Diese Balance von Kooperation und gestischem Ritual – und die Tatsache, daß es darüber keine langen Diskussionen gab – spiegelt wohl wider, was die Frauenfrage momentan, in dieser Zeitung jedenfalls, ausmacht: beruhigte, nicht unfreundliche Ratlosigkeit.

Sexismus in der Zeitung, Frauenfeindlichkeit durch alltägliche Ignoranz im Nachrichtenwesen, die allmähliche Einrichtung im Gewohnten – Themen wie diese flackern in der taz auf, um schnell wieder zu verschwinden: nicht weil ein Patriarch die Flamme löschte, sondern weil es an Feuerholz fehlt. Die hauseigene Quotierung (mehr als die Hälfte aller tazlerInnen, auch in der Redaktion, sind weiblich) hat jedenfalls keine mechanische Berücksichtigung feministischer Interessen mit sich gebracht. Auch die Abschaffung der Frauenseite vor vier Jahren – mit dem optimistischen Argument, grundsätzlich müßten alle Seiten für Frauenthemen zur Verfügung stehen – hat nur befördert, was sie aufhalten sollte: die Entwicklung feministischer Berichterstattung zum nicht ungern gesehenen Sonderfall. Ein letzter Versuch vor einem Jahr, die von Luise Pusch erdachte Sprachreform der radikalen Feminisierung in der taz zu etablieren (dann wäre nur noch von Demonstrantinnen, Politikerinnen, Lehrerinnen, Ausländerinnen die Zeitungsrede gewesen), hat nicht einmal die geschlechterübergreifende Possierlichkeitsquote übersprungen: Das, hieß es, können wir unseren LeserInnen wirklich nicht zumuten.

Feminismus ist eine Zumutung, weil er die Organisation unserer Wirklichkeit ändern will. Aber von dem einem, wahren Feminismus kann weniger denn je gesprochen werden: Über die strukturellen Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt sind sich fast alle einig, bei der PorNO-Debatte differenziert sich schon das Bild, und was haben die spirituelle Frauenbewegung in den USA und unsere Quotendebatten noch miteinander zu tun? Die Analyse geschlechtsspezifischer Diskriminierungen ist, wie alles andere, arbeitsteilig organisiert, und diese Arbeitsteilung hat auch der Feminismus nicht überwunden; in der taz bildet sich ebenso die Zersplitterung der „alten“ Bewegung ab.

Obwohl es Berge zu versetzen gäbe, scheint die Ebene manchmal endlos. Immerhin ragen auch hier Zuckerhüte hervor, von denen einige heute zu besichtigen sind – andere später. Ab morgen, wenn wahrscheinlich alles wieder ist, wie es fast immer war. Es sei denn, es würde eines dieser Wunder geschehen, die noch seltener sind als andere: die selbstgemachten. ES