Unter der Käseglocke

■ Pavement und Stereolab plus Blumfeld in der Markthalle

Pavement wühlen ausgiebig im Nähkästchen der Popgeschichte: aus England nehmen sie die Bindfäden Aztec Camera, The Fall, Orange Juice, Oscar Wilde, Pink Floyd, Bananarama und Robert Wyatt auf, aus den USA Dinosaur Jr., Smashing Pumpkins, Sonic Youth, Hollywood, Bob Dylan und Julian Schnabel. Vielleicht auch namentlich andere, aber das ist egal, denn Pavement beherrschen die Dramaturgie des komplizierten Popsongs und das Puzzle der Überraschungen, die kunstvolle Verarbeitung von Brosamen zu Teigmännchen wie momentan keine Band.

Zumindest in der Komposition und im Studio funktioniert dies, wie Crooked Rain, Crooked Rain beweist. Auf der Bühne wirkt dieses interessanteste Songexperiment der Zeit wie unter einer Käseglocke. Es ist die Stunde der Arroganz und Steven Malkmus' Band stünde die Nacht lang mit dem Rücken zum Publikum, wenn sie auf ihre innere Stimme lauschen würde. Das mag in einem kleinen Club mit feuchten Wänden ein Spaß sein, in der großen Markthalle, randvoll am Montag, wirkt diese Introvertiertheit gepaart mit Strickfehlern in den schrägen rhythmischen Konstrukten unreif und oft fatigant. So springt der Funke nur auf Kurzsichtige über, denen die oberschülerhafte Präsentationsarbeit von Pavement dank organischer Mängel verborgen bleibt. Denn die Last des En-tertainers zerdrückt ja nicht eine Musik. Diese ist dem schrägen Klang ein neuer Star-Anwalt. Allerdings auch bis in die gedanklichen Nistkästen einer VIVA- und BRAVO-Redaktion.

Und Stereolab? Drei befreundete Pärchen wie von der Kunstschule, schüchtern und mit der Kraft lizensiert, Popmusik konzeptualistisch aufzufassen, zeigen ein Collage aus Kindermelodie und Rockgrooves, eine Schlüsselsammlung zu den letzten 10 Jahren britischer Verantwortung für den Gitarrenpop. Schlußendlich kehrten auch Blumfeld auf eine Hamburger Bühne zurück und boten mit Pavement, deren UK-Tour sie begleitet hatten, einmal „Verstärker“. Dies ein kurzer Moment Präsenz und Humor. Leider der einzige.

Till Briegleb