: Sparstrumpf gestrickt
■ Senat bleibt hinter eigenen Erwartungen zurück / Empfindliche Kürzungen im Kultur- und Sozialbereich
Der Senat hat sein selbstgestecktes Ziel, noch in diesem Jahr 1,5 Milliarden Mark zu sparen, nicht erreicht. Der sogenannte Nachtragshaushalt, den die Regierungsmitglieder im Beisein der Fraktionschefs von CDU und SPD am Sonntag und Montag ausgearbeitet haben, beläuft sich auf nur 1,3 Milliarden Mark.
Wie Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gestern berichtete, sei damit der Haushalt allerdings ausgeglichen, weil zum einen mehr Steuern als erwartet eingenommen würden, zum anderen, weil auf Grund einer von der Innenministerkonferenz getroffenen Regelung sich auch die anderen Bundesländer mit 150 Millionen Mark an den Kosten für die Unterbringung und Betreuung der Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien beteiligen sollen.
Der Senat verständigte sich auf Kürzungen von 600 Millionen Mark im konsumtiven Bereich – davon 45 Millionen Mark für Personal –, auf die Verschiebung von Investitionen in Höhe von 550 Millionen Mark in das kommende Jahr und Verkäufe landeseigenen Vermögens in Höhe von 190 Millionen Mark. Der Gesamthaushalt ist damit auf 43,3 Milliarden Mark geschrumpft. 400 Millionen Mark der 1,3 Milliarden seien dauerhaft eingespart, sagte Pieroth.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) erklärte, daß die Messehallen auf 50 Millionen Mark und das Poststadion auf Zuschauertribünen verzichten müssen. „Eine Reihe von Entscheidungen im sozialen Bereich sind schmerzlich“, sagte Diepgen. Die Mittel für Sozialstationen werden um 1,3 Millionen Mark, für den Telebus um 600.000 Mark und die Zuschüsse an freie Wohlfahrtsverbände um 670.000 Mark gekürzt. Selbsthilfegruppen müssen mit 200.000 Mark weniger auskommen.
Die Finanzverwaltung muß an Personal-Computern sparen – für „Datenendgeräte für automatisiertes Haushaltswesen“ gibt es eine Million Mark weniger. Im Kulturbereich muß das Grips-Theater auf 76.000 Mark, die Akademie der Künste auf 300.000 Mark, der Träger des Hauses der Wannseekonferenz auf 90.000 Mark und das Symphonie-Orchester auf 120.000 Mark verzichten. Für die Freien Träger gibt es 9,9 Millionen Mark weniger.
Mit der Absicht, gemeinsam mit dem Nachtragshaushalt auch den Doppelhaushalt für 1995 und 1996 zu beschließen, in dem insgesamt Einsparungen von über sechs Milliarden Mark nötig sind, ist der Senat gescheitert. Trotz des Sitzungsmarathons konnte er sich nur auf eine Milliarde Mark Kürzungen einigen. Wie die Ausgaben und Einnahmen um weitere 2,5 Milliarden Mark erhöht oder gesenkt werden können, soll mit Prüfaufträgen geklärt werden.
In Zukunft soll es doch nur noch zwei Uni-Kliniken geben. Die Kliniken Rudolf Virchow und Charité werden zusammengelegt. Zwar wird es vorerst zwei Fachbereichsleitungen geben, doch eine gemeinsame Kommission soll die Zusammenarbeit wie etwa die Besetzung von Professorenstellen regeln. Bei den Opern und Theatern sollen in den drei Jahren ab 1995 54 Millionen Mark eingespart werden. Weiter sollen Kosten durch die Senkung der Baustandards öffentlicher Gebäude reduziert werden. Sozialwohnungen sollen weniger im ersten, dafür mehr im zweiten Förderweg erstellt werden. Die Landesämter für Vermessungswesen und Materialprüfung sollen privatisiert werden. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen