■ Das Portrait
: Peter Scholl-Latour

Allah ist mit den Standhaften: Unser Scholl, wie ihn die guten Freunde nennen, wird heute siebzig. Noch immer unkt er im Historikertalar von Tartarensturm und Untergang. Auf der weltlichen Seite seines Daseins mischt der Veteran ganz fröhlich mit bei Gruner + Jahr, bei Medienkonzernen und öffentlich- rechtlichen, vor allem aber privaten Fernsehsendern.

Vor vielen Jahren besuchte der Bochumer Arztsohn erst einmal brav und nachhaltig ein streng katholisches Schweizer Jungeninternat. Unmittelbar nach dem Krieg meldete er sich „aus Abenteuerlust“ bei der französischen Armee und zog, um endlich „ein freies Leben zu führen“, als Fallschirmjäger nach Indochina. Ein Volontariat bei der Saarbrücker Zeitung war schließlich das Sprungbrett für seine bis heute ungebremste journalistische Umtriebigkeit — vorzugsweise fliegt er khakiuniformiert in Kriegs- und Krisenherde der Dritten Welt („das kribbelt“). Kaum aus Kambodscha zurück, läuterte sich der junge Haudegen in Paris im Studium der Politologie, das er mit einer (heute für Neugierige gesperrten) Dissertation über H.R. Binding, einen kriegsbegeisterten wilhelminischen Literaten, krönte. Und da es ihm nun „zukunftsträchtig“ schien, auf den Orient zu satteln, ließ er in einem französischen Institut im Libanon einen Crash-Kurs in Arabisch Oberster Nahost-ExperteFoto: Peter Peitsch

über sich ergehen. Seitdem weiß er, was der „wahre Islam“ ist: Er belehrt ein schauderndes deutsches Publikum in TV-Serien und Sachbüchern über „die unberechenbaren Leidenschaften der islamischen Massen“, die sich in den endlosen Steppen Mittelasiens und auf dem Cours Belsunce in Marseille zum Angriff aufs verweichlichte christliche Abendland rüsten. Er empfiehlt „ein Bündnis der weißen Menschheit“. Seine Gesprächspartner sind Staatsmänner wie Khomeini, Milizenführer wie Hekmatjar und immer wieder Taxifahrer — fortschrittliche Kräfte, die Brücken schlagen könnten, haben im Weltbild von Scholl keine Stimme. Mit seinem Bestseller „Eine Welt in Auflösung“ war er 1993 der erfolgreichste deutsche Sachbuchautor. Auf seine Kritiker, die ihn im selben Jahr mit einem Buch bedachten, wollte er sich nicht einlassen: „Neidische Orientalisten“, „komplexbeladene Frauen“ und „Atheisten“ argumentierte er beleidigt zurück. Löst sich auch im alten Scholl etwas auf? Verena Klemm