Bei Rückkehr droht die Zwangsrekrutierung

■ Abschiebung macht die Lage für Serben und Kroaten, die desertiert sind, bedrohlich

Kriegsdienstgegner, Stellungsflüchtlinge und Deserteure in den Staaten Ex-Juguslawiens sind mehrfach bedroht: im eigenen Land und zunehmend auch im Ausland, wohin sie sich geflüchtet haben und wo ihnen nun die Abschiebung droht. Seit Mai 1993 gibt es ein „Internationales Deserteursnetzwerk“, das sich bemüht, Kriegsdienstgegner in den Kriegsgebieten wie auch in den Fluchtländern zu unterstützen. In München versammelten sich am Wochenende 20 Vertreter von Anti- Kriegs-Organisationen aus zehn Ländern, um über den Ausbau des Deserteursnetzwerkes zu beraten – vor allem im Hinblick auf die Kriegsgegner aus Ex-Jugoslawien.

Bis heute gibt es in Serbien kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, berichtete Bojan Aleksov von der Anti-Kriegskampgane Belgrad. Genaue Angaben über die Zahl der Deserteure in Ex-Jugoslawien seien schwer zu bekommen. Schätzungen sprechen von mindestens 200.000 vorwiegend jungen Männern, die bisher das Land verlassen haben. Die Militärbehörden haben naturgemäß wenig Interesse, Zahlen dazu zu veröffentlichen. Nicht nur aus Gründen der Geheimhaltung, sondern auch, weil es – im Falle Restjugoslawiens – de facto ein Eingeständnis wäre, daß Serbien am Krieg beteiligt ist und eine große Zahl von Männern in den Krieg außerhalb des serbischen Territoriums schickt.

Die Belgrader Antikriegsbewegung begann bereits im November 1991 mit einer Unterschriftenaktion, in der ein Referendum über die Zwangsrekrutierung von Bürgern für den Krieg außerhalb Serbiens gefordert wurde. Trotz der großen Zahl der Unterschriften hat es das serbische Parlament bis heute abgelehnt, darüber auch nur zu diskutieren. Die Zwangsrekrutierungen, auch und gerade unter Flüchtlingen aus Bosnien und Kroatien, haben trotz des offiziellen Rückzugs der (restjugoslawischen) Armee aus Bosnien im Mai 1992 nicht aufgehört. Flucht ins Ausland sei deshalb oft der einzige Weg, nicht am Krieg teilzunehmen.

„Dich sollte man einziehen, zur Front schicken und dir in den Hinterkopf schießen, sowie du dich umdrehst.“ Das bekam Zoran Ostric von der Zagreber Antikriegskampagne von Drago Krpina, einem der führenden Abgeordneten der kroatischen Regierungspartei nach einer öffentlichen Diskussion Mitte 93 zu hören. Zehn Tage später wurde Krpina Leiter der politischen Abteilung der kroatischen Armee. Zwar gebe es in Kroatien inzwischen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, so Ostric auf der Pressekonferenz, dennoch würden etwa Verweigerer bei Abgabe des Antrags meistens sofort eingezogen und zu „zivilem Dienst“ wie etwa Schützengräben ausheben an die Front geschickt. Eine internationale Anerkennung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern und ein sofortiger Stopp der Abschiebungspolitik von geflüchteten Kriegsdienstgegnern (Anerkennung von Desertion als Asylgrund) könne ein längst fälliges Zeichen setzen. Thomas Pampuch