Zufällige Gefahrenherde

■ Ägypten, Israel und Florida tun auf der Internationalen Tourismusmesse (ITB) so als ob: Als ob die Gewalt gegen Touristen ein GGespinst aus Medienhirnen sei

Behäbig schaut Pharao Tutanchamun auf die Prospektjäger herab. Sein Inneres ist ein Sarkophag, in dem sich die Besucher über Theben, Museen, Moscheen und Mohammeds informieren. Ägypten klotzt auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) stärker denn je. Das Land der Pharaonen ist in Halle 21 en miniature aufgebaut. Und wie in den Grabkammern im Tal der Könige drängeln sich auch hier die Reisenden. Papyrus, Tonfiguren, gläserne Parfümflacons und eine kleine Königsgarde sind zu bestaunen. Keine Spur, kein Hinweis darauf, daß Ägypten für Touristen mit Vorsicht zu genießen ist – über Anschläge der Fundamentalisten spricht man nicht gern.

Mohammed Bakier, Direktor des Ägyptischen Fremdenverkehrsamtes in Frankfurt, hat es denn auch abgelehnt, an der von der taz initiierten Diskussionsrunde über „Gewalt gegen Urlauber“ teilzunehmen, und zwar deshalb, damit das Land „gar nicht erst in die Kategorie gefährlicher Destinationen“ gezwängt wird. „Die Zahl der getöteten Menschen“, sagt Bakier, „wird von den Medien völlig hochgespielt.“ So gesehen sei der Rückgang der Besucherzahlen 1993 um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr – Allah hab' Dank – noch relativ gering. Zudem, behauptet Bakier, richteten sich die Vorfälle in der Vergangenheit gegen die Regierung, wobei der Tourismuschef nur ungern einräumt, daß gerade ausländische Gäste zur Zielscheibe der Radikalen werden, um den Staat an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen. Der Fremdenverkehr ist Ägyptens Hauptdeviseneinnahmequelle.

Auch am schillernden Israelstand ist alles koscher. Die Welt ist groß, Hebron weit weg. In Berlin jedenfalls stechen den Besuchern riesige Plakate ins Auge. Mit Schlammtourismus – Rheuma- und Schönheitsreisen ans Tote Meer –, Klagemauer und Kultur sowie Tauchen in Eilat wird geworben. Das alles ist schön, ja. „Sprechen wir über Sport, reden wir übers Nachtleben“, heißt es in den Broschüren.

Unterhalten wir uns doch über die jüngsten Vorfälle im Gaza-Streifen. Nach Ansicht von Martina Beckmann, PR-Managerin des Staatlichen Israelischen Fremdenverkehrsamtes in Frankfurt, können sie den Tourismus nicht trüben. „Das Land“, sagt sie, „ist doch bekannt dafür, daß es immer mal wieder brennt.“ Vom Gaza-Streifen habe man die Gäste auch schon vor dem Blutbad abgeraten. Ist also alles nur eine Frage der vom Touristen subjektiv empfundenen Sicherheit? Student Klaus-Peter Ulrich hat sich schon Dutzende von Prospekten über das „Heilige Land“ eingesackt. Muffensausen müsse man als Reisender in Israel nicht haben, meint er, und auch kein schlechtes Gewissen.

Trip to Florida. „Ein Land, viele Gesichter“, prangt über dem Stand in Halle 25. Wohlbeleibte, lachende Tourismusbosse empfangen die Neugierigen. Viedeos zeigen blaues Meer, Delphine und FKK-Nackte. „Unser Land“, sagt Susan Phillips, Direktorin eines Golfhotels an der Westküste Floridas, „läßt sich die Sicherheit der Reisenden einiges kosten.“ Offenheit aber ist dem Land zu billig: An der taz-Diskussion wollte Florida auch nicht teilnehmen. Gezielt würden die Gäste über mögliche Gefahren aufgeklärt, vor Ort, wie auch auf der ITB, wo das Interesse an Florida ungebrochen groß sei. Das alles sei jedoch nur erforderlich, „weil sich die Medien zufällig mal Florida als Gefahrenherd herausgepickt haben“.

„Überall auf der Welt herrscht Gewalt“, meinen Karin und Frank, „warum sollen wir nicht nach Florida reisen?“ Es sei völlig unsinnig, wenn umgekehrt kein Ausländer mehr Deutschland bereist, „nur weil in Frankfurt, Hamburg oder Berlin mal jemand umgebracht wird“. Man müsse sich ja nicht gerade in den düsteren Ecken der Städte aufhalten. Im Urlaub wollen die zwei Berliner „nur Sonne und Meer, keine Überraschungen“. Tomas Niederberghaus