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Satan kommt durch die Parabolantenne

Irans geistlicher Leiter Ali Chamenei macht Jagd auf unliebsame Fernsehprogramme und ähnliches Teufelszeug / Präsident Haschemi Rafsandschani gerät zunehmend ins Hintertreffen  ■ Von Ahmed Taheri

Berlin (taz) – Irans Ayatollah Chomeini dünkte sich als Gralshüter der islamischen Rechtgläubigkeit; sein Nachfolger, Said Ali Chamenei, als Hüter der islamischen Kultur. Die „kulturelle Invasion des Westens“ ist sein Lieblingsthema. Seit Jahren läßt der Schöngeist aus der ostiranischen Stadt Maschad, der in seiner Jugend wehmütige Liebesgedichte schrieb, keine Gelegenheit aus, die angebliche Infiltration des schiitischen Gottesstaates durch den „verderblichen Ungeist“ aus dem Westen zu verdammen. Die Feinde des Islam, so Chamenei, versuchten durch das Trojanische Pferd der Kultur in die Hochburg der islamischen Revolution einzudringen, nachdem es ihnen nicht gelungen sei, die Islamische Republik politisch und wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Filme und Musik, Bücher und Zeitschriften, Videokassetten und Satellitenantennen, mit denen die Gläubigen unislamische Sendungen aus Hongkong, Bombay oder den Arabischen Emiraten empfangen können, seien Waffen des Teufels.

Dem Kulturkampf, der sich bis jetzt hauptsächlich gegen die laizistischen Intellektuellen richtete, ist inzwischen auch ein prominenter Politiker aus den Reihen der klerikalen Herrschaft zum Opfer gefallen. Mitte Februar, kurz nach der „Dekade der Morgenröte“, den zehntägigen Revolutionsfeiern, entließ Chamenei per Dekret Muhammed Haschemi, den Chef des iranischen Hörfunks und Fernsehens. Er soll nun als Staatssekretär im Außenministerium dienen. An seiner Stelle wurde der bisherige Minister für Kultur und islamische Erziehung, Muhammad Laridschani, ernannt, der als religiöser Falke gilt. Das Ministerium wiederum übernahm ein weiterer Scharfmacher, Muhammad Mustafa Salim.

Die Absetzung Haschemis schlug in Teheran wie eine Bombe ein. Der 46jährige Politiker ist nämlich kein geringerer als der Bruder und die rechte Hand des Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Unter ihm diente Seda va Sima, „Stimme und Bild“, wie der iranische Rundfunk und das Fernsehen genannt werden, der Realpolitik des Staatschefs. Wie viele Kader der islamischen Revolution ist Haschemi Absolvent einer US-amerikanischen Universität. Er kehrte nach dem Sturz des Schah 1979 aus dem „Reich des Satans“ in die islamische Heimat zurück und wurde bald dank des Einflusses seines Bruders zum Leiter des Propagandaapparates der jungen Republik. Doch der als liberal geltende Akademiker mit dem rasierten Kinn und dem flotten Lippenbart war den schiitischen Zeloten von Beginn an ein Dorn im Auge.

Zum Leid der Frömmler ließ er im iranischen Rundfunk singen und musizieren und im Fernsehen westliche Filme zeigen. Zu einem theologischen Eklat kam es 1985, als der US-amerikanische Klassiker „To have or not have“ über die Teheraner Bildschirme lief. Im „aufreizenden Gang“ der schönen Laureen Bacall sah so manch ein frommer Rechtsgelehrter eine Verhöhnung der islamischen Werte. Nur dank des seligen Imam Chomeini behielt Haschemi seinen Posten. Der Film sei von künstlerischem Wert und damit erlaubt. „Allein dürfen die Gläubigen ihn nicht mit wollüstigen Augen anschauen“, hieß es in einer cineastischen Fatwa des Ayatollah.

Als der Nachfolger Chomeinis, Ali Chamenei, seinen Kreuzzug gegen die westliche Kultur startete, geriet Haschemi erneut unter heftigen Beschuß. Seit zwei Jahren wüten in Parlament und Presse die „Rechten“ gegen den „libertären und unislamischen Kurs“ von „Stimme und Bild“. Mit den „Rechten“ sind jene Kleriker gemeint, die die freie Marktwirtschaft auf ihre Fahnen geschrieben haben, aber für die strenge Einhaltung der Scharia, des islamischen Rechts, eintreten. Sie haben ihre Basis im Bazar und sind stark im Parlament vertreten. Durch ihre Tageszeitung Resalat, „die Berufung“, üben sie großen Einfluß aus.

Indes meinen Beobachter der iranischen Politik, daß die Entmachtung Haschemis eigentlich auf die politische Demontage seines mächtigen Bruders abzielt und mit den nächsten Präsidentenwahlen in drei Jahren zusammenhängt. Nach der iranischen Verfassung ist die Amtszeit des Staatschefs auf zwei Perioden von jeweils vier Jahren beschränkt. Formal gesehen muß sich Rafsandschani also 1997 von dem hohen Amt endgültig verabschieden. Der Angriff auf Rafsandschanis Clan soll den Staatschef daran hindern, die Verfassung so zu ändern, daß eine dritte Amtsperiode möglich ist. Der künftige Präsident, so spekuliert man in Teheran, soll nach dem Willen von Rafsandschanis Gegnern der derzeitige Parlamentspräsident Hodschatol- Islam Nategh Nuri werden.

Derweil nutzt die säkulare Opposition das klerikale Gezänk wie die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung und zeigt Flagge. Anläßlich des Jahrestages der Revolution griff Dariusch Foruhar, Chef der halblegalen nationalistischen „Partei des iranischen Volkes“, in einem Interview mit dem britischen Independent die Mullahmacht in ungewöhnlicher Schärfe an. „Eine neue Kraft, die im Volke verwurzelt ist“, erklärte Foruhar in Teheran, „ist dabei, die politische Bühne zu betreten und der gegenwärtigen diktatorischen Herrschaft ein Ende zu bereiten.“ Einige Tage nach dieser kühnen Verlautbarung verlieh eine Mitstreiterin Foruhars dem Protest auf eine schreckliche Weise Nachdruck. Homa Darabi, Kinderpsychologin und führendes Mitglied von Foruhars Partei, stellte sich Ende Februar im Norden Teherans auf die Straße, rief „Nieder mit der Unterdrückung, es lebe die Freiheit!“ Dann übergoß sie sich mit Benzin und zündete sich an. Die Trauerfeier wurde zu einer politischen Demonstration. Mehr als 10.000 Menschen begleiteten den Sarg und riefen antiklerikale Parolen.

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