Angst vor der spanischen Armada

■ Norwegens Fischer werfen ihrer Regierung Verrat vor / Zugeständnisse bei der Fangquote könnten die Stimmung der Bürger wieder auf Anti-EU-Kurs bringen

Kabelvag (taz) – „Olsen hat uns verraten.“ Helga Sande gibt der allgemeinen Stimmung Ausdruck an diesem historischen Mittwochmorgen: Der Sündenfall ist geschehen. „Keinen einzigen Fisch“ werde die EU zusätzlich über die Quoten des EWR-Abkommens hinaus von Norwegen bekommen, hatte Fischereiminister Jan Henry Olsen hoch und heilig versprochen. Nun hat er in der Nacht vorher 3.000 Tonnen Fisch geboten, um die Beitrittsverhandlungen zum Abschluß zu bringen. Das hat zwar Spanien immer noch nicht gereicht. Und 1.000 Tonnen Quote vor der kanadischen Küste, die in das Angebot eingingen, haben die norwegischen Fischereiboote sowieso seit Jahren nicht ausgenutzt. Überhaupt: Was sind 2.000 Tonnen Dorsch angesichts der jährlichen norwegischen Dorschquote von 650.000 Tonnen?

Solche Fragen sollte man nicht stellen, denn es geht ums Prinzip. Und eine regelrechte Angst geht um vor der spanischen Armada aus Fischtrawlern, die den letzten 20.000 norwegischen Fischern endgültig das Lebenslicht ausblasen werden. Nicht jetzt, aber spätestens wenn Norwegen erst mal drin ist in der EU, wenn ab den Jahren 2002 und 2003 das ganze EU-Meer für die Flotten aller EU-Länder unbegrenzt offen sein soll. Und wenn die Regierung so zu ihren Versprechungen steht, wie schon jetzt auf der Brüsseler Schwelle. Man diskutiert hier nicht die EU. Das Thema ist abgehakt, das Nein liegt sowieso fest. Doch was Oslo mit seinen Fischern macht, prägt entscheidend die Stimmung für oder gegen die EU im Lande. Deshalb bekommt Jan Henry Olsen heute nicht nur von den Fischern verbale Prügel. Die Reporterin der Lokalzeitung Lofotposten hat vergeblich nach einer zitierfähigen positiven Stimme zur norwegischen Verhandlungstaktik auf der Straße gefahndet.

„Es gibt nunmal zwei Sorten Fischer“, verkündet Helga Sande. „Die Spanier sind eine Plage und die Franzosen Piraten. Sie fischen mit engeren Maschen als wir, schrabben den Boden nach Jungfischen ab und verschwenden keinen Gedanken an den Fischnachwuchs. Sie schneiden unsere Leinen und Netze durch, versuchen, sich allen Kontrollen zu entziehen, antworten nicht auf Funk, und Zusammenarbeit ist für sie ein Fremdwort.“ Harte Worte. Aber haben nicht tatsächlich die Fabrikschiffe aus Südeuropa mit rücksichtslosen Fangmethoden ihre überkommenen Fischgründe so radikal leergefischt, daß sie in immer neue Meeresgebiete eindringen müssen, in denen man noch vor Jahren ihre Fahne nie gesichtet hatte? „Natürlich, wir haben auch unsere schwarzen Schafe, und auch von Norwegen wurde überfischt“, gesteht Roy Olsen zu, „aber man muß die Relationen sehen.“

Für den Fischaufkäufer Ole Nergard könnte es eigentlich egal sein, ob norwegische oder spanische Fischerboote ihren Fang bei ihm abliefern. Und mit der EU winken neue interessante Absatzmärkte ohne Zoll- und Quotenschranken. „Es ist nur in der Theorie egal. In der Praxis geben uns nur die einheimischen Boote stabile und sichere Anlieferungen. Das ist wichtiger, als kurzfristiges lukratives Überangebot durch ausländische Boote.“ Weshalb auch Ole in seiner Nein-Position durch die neuesten Nachrichten aus Brüssel nur gestärkt wurde: „Wir können nicht die eigenen Boote versenken und uns auf eine zukünftige Rolle als Fischverarbeitungsnation umstellen.“

Auch die kürzlichen Protestaktionen der französischen Fischer haben ihre Spuren hinterlassen: „Wenn Frankreich so mit den Bestimmungen des EWR-Abkommens umgeht und einfach einen Importstopp verhängt“, fürchtet Jan-Helge Dahl, Chef der Fischhandelsfirma Northern Seafood, gesetzlose EU-Zeiten. Dahl hofft auf internationalen Handel mit einem Norwegen als EU-Mitglied. Doch er fürchtet, daß die Zugeständnisse in Brüssel das Stimmengleichgewicht zwischen Ja und Nein wieder ins Nein abkippen lassen könnten.

Ganz Nordnorwegen hatte auf Fischereiminister Olsen gesetzt, den Ministerpräsidentin Brundtland mit einem Vetorecht für die Verhandlungen ausgestattet hatte. Die Enttäuschung über das gebrochene Versprechen könnte das vorsichtig Richtung Brüssel steuernde norwegische Schiff schnell hart auf Grund setzen. Reinhard Wolff