: Bad Kleinen als „Lernfall“
Bundesregierung präsentiert Abschlußbericht ■ Aus Bonn Hans Monath
Wenigstens in einer zentralen Aussage zu der Polizeiaktion von Bad Kleinen wird niemand dem Bundesinnenminister widersprechen wollen. „In herausragenden Kriminalfällen wächst oder fällt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheitsorgane“, befand Kanther gestern bei der Vorstellung des Abschlußberichts der Bundesregierung zu der Schießerei vom 27. Juni 1993.
Die Kommunikation seiner Untergebenen mit den Bürgern will Kanther in politisch brisanten Fällen denn auch verbessern, denn für das Verhalten der Polizei gegenüber der Öffentlichkeit scheint dem Innenminister Bad Kleinen „ein Lernfall“.
Anders als im Innenausschuß des Bundestages, wo sich die Abgeordneten zuvor für Details des Desasters interessiert hatten, mußte der oberste Dienstherr der Polizei vor Journalisten kaum eine Frage zum Ablauf des Zugriffs auf dem Bahnhof der mecklenburgischen Kleinstadt beantworten. Denn der gestern offiziell vorgelegte 46seitige Abschlußbericht bringt in der Sache keine Neuigkeiten. Grams habe den Polizeikommissar Newrzella erschossen und sich anschließend „in Suizidabsicht selbst getötet“, faßte Kanther die Ergebnisse der Untersuchung („absolut gesichert“) zusammen.
Zur Vorstellung des Berichts traten neben Kanther sowohl Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) als auch der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Hans-Ludwig Zachert, und der neue Generalbundesanwalt Kay von Nehm vor die Presse – aber auch die geballte Staatsmacht bürgt noch nicht für gute Öffentlichkeitsarbeit. So wehrte sich der Innenminister mit deftigen Formulierungen nicht nur gegen den angeblich ungerechtfertigten Schutz eines Zeugen durch den Spiegel und gegen „Gerüchte“ in der Presse, sondern auch gegen eigene Aussagen. Bei der Diskussion der Konsequenzen nannte er Spekulationen über die Einführung einer kollegialen Führungsebene im BKA „absonderlich“ – in einem am Montag erschienenen Interview der Süddeutschen Zeitung aber hatte er selbst eine Reform der BKA-Leitung angekündigt, die „in stärkerem Maße Kollegialität ermöglichen“ werde.
Auch die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger tat sich schwer mit der Erklärung, wieso der damalige Generalbundesanwalt von Stahl entlassen worden war, wo doch laut Bericht ihm und seiner Behörde bei der Ermittlungsarbeit keine Fehler vorzuwerfen sind. Erst der neue Generalbundesaanwalt Kay von Nehm konnte indirekt erläutern, daß das Versagen seines Vorgängers offenbar ebenfalls auf dem Feld der Öffentlichkeitsarbeit zu suchen war.
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