AKW Biblis A: Die Betreiber haben geschlampt

■ Hessens grüner Umweltminister Fischer vor dem Umweltausschuß des Bundestages / Ministerpäsident Eichel fordert ein konventionelles Kraftwerk

Wiesbaden (taz) – Der Bundestagsabgeordnete Klaus Kübler (SPD) erkannte einen „Punktsieg“ für den hessischen Umweltminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen). Auf Initiative der Sozialdemokraten fand gestern eine Anhörung zum Atomkraftwerk Biblis A im Umweltausschuß des Bundestages statt. Fischer habe seinen Bericht über den Kühlpumpenbrand und die „vorläufige Stillegung“ des Atomkraftwerkes Biblis A „überzeugend“ vortragen können. Die Regierungsparteien CDU und FDP vertagten die Debatte.

Von einer absichtlichen Verzögerung des Genehmigungsverfahrens – „wie von Bundesumweltminister Klaus Töpfer massiv und polemisch behauptet“, könne keine Rede sein, sagte Kübler weiter. Klargeworden sei im Gegenteil, daß die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke selbst die Dreijahresfrist nicht eingehalten haben, die ihnen vom hessischen Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) 1991 gewährt worden war, um insgesamt 49 Sicherheitsdefizite zu beheben.

Am Nachmittag legte Fischer dann dem Unterausschuß „Atomanlagen“ des hessischen Landtages seinen „vorläufigen Bericht“ vor. Von insgesamt 52 Genehmigungsanträgen seien 23 erst mehr als zwei Jahre nach Erlaß eingegangen, rechnete Fischer vor; das gelte auch für 75 Prozent der insgesamt 63 Nachweis- und Zustimmungsverfahren. Um diese Unterlagen, die in vielen Fällen unvollständig gewesen seien, zügig bearbeiten zu können, habe das Umweltministerium einen „Großteil der Gutachterkapazität in dieser Republik“ verpflichtet – von TÜVs in drei Bundesländern bis hin zu drei privatwirtschaftlichen Gutachterbüros. Fischers Schluß: „Der Vorwurf der Verschleppung dient zu nichts anderem, als von den von RWE zu verantwortenden Sicherheitsdefiziten abzulenken.“ Das AKW müsse wenigstens vorläufig stillgelegt werden, ein Feuer, wie es letzte Woche ausgebrochen war, könne an anderer Stelle der Anlage leicht dazu führen, daß es „ernst nicht nur für Hessen wird“.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Roland Koch, warf Fischer danach erneut vor, das „Brandereignis in Biblis A zu einem Feldzug für die Stillegung des Reaktors“ mißbraucht zu haben. Und in einem Fall, so Koch weiter, habe es 21 Monate gedauert, bis das „Haus Fischer“ Antragsunterlagen an die Gutachter weitergegeben habe. Fischer will schriftlich antworten. In einem Brief an Bundeskanzler Kohl schlägt Hessens Ministerpräsident Eichel inzwischen vor, das Atomkraftwerk doch auf konventionelle Gas- oder Kohlefeuerung umzustellen. Klaus-Peter Klingelschmitt