Von den Nazis erbarmungslos verfolgt

■ Ausstellung im Gropius-Bau über das jüdische Verlagshaus Mosse

Die alte Linotype-Setzmaschine aus dem Jahr 1927 rasselt. Auf Schienen rutschen die flink gesetzten Buchstaben hinab, werden in Spaltenzeilen erfaßt und sofort in Blei gegossen – Reminiszenz an die Zeitungsstadt Berlin, in der in den zwanziger Jahren die Setzmaschinen nicht stillstanden.

Täglich erschienen damals etwa drei Dutzend Tageszeitungen, darunter einige mit Morgen- und Abendausgaben. Zum Berliner „Blätterwald“ in der Weimarer Republik gehörte die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung ebenso wie das antifaschistische Satireblatt Die Ente oder die von dem jüdischen Verleger Rudolf Mosse 1871 gegründete liberale Tageszeitung Berliner Tageblatt.

Der Geschichte des Verlagshauses Rudolf Mosse, die eng mit dem Wirken des Journalisten und Schriftstellers Theodor Wolff verbunden ist, ist die jetzt eröffnete Ausstellung „Mosse-Haus und Tageblatt“ im Jüdischen Museum im Martin-Gropius-Bau gewidmet.

Anhand von Fotografien und zahlreichen Originalausgaben der im Mosse-Verlag erschienenen Zeitungen und Zeitschriften, anhand von Briefen und Zeichnungen vor allem aus den Jahren zwischen 1914 und 1933 wird nicht nur ein Stück Berliner Pressegeschichte erhellt.

Dem Besucher wird auch ein Blick eröffnet für Situation und Stimmung in Deutschland zwischen Erstem Weltkrieg und dem Machtantritt der Nazis und für ein Stück Berliner Alltagsgeschichte.

Am 31. Juli 1914 erscheint eine Extra-Ausgabe des Berliner Tageblatt mit der Schlagzeile „Kaiser- Deutschland in Kriegszustand“. Wenige Tage darauf beginnt der Erste Weltkrieg. Im Januar 1919 besetzen revolutionäre Arbeiter während des Spartakusaufstandes das Mosse-Haus in der Jerusalemer Straße im Berliner Zeitungsviertel. Fotos zeigen, wie sie sich hinter den Zeitungspapierrollen verbarrikadieren.

Zu dieser Zeit hat das Berliner Tageblatt eine Auflagenhöhe von 300.000 Exemplaren. Das Verlagshaus gibt darüber hinaus weitere Tageszeitungen und zehn Illustrierte, darunter den renommierten Weltspiegel, heraus sowie das Deutsche Reichs-Adreßbuch. Der Verlag ist aus der 1867 gegründeten „Zeitungs-Annoncen-Expedition“ zu einem der größten Verlagskonzerne aufgestiegen. Die politischen Ereignisse der Zeit kommentiert Theodor Wolff, der seit 1906 Chefredakteur des Berliner Tageblatt ist und die Zeitung zu einem „deutschen Weltblatt“ macht. Er führt die Zeitung auch nach dem Tod ihres Gründers Rudolf Mosse 1920 im liberaldemokratischen Geist weiter.

Ins Exil getrieben

Am 31. Januar 1933 nimmt Wolff in einem Leitartikel Stellung gegen Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Wenig später muß er ins Exil nach Frankreich fliehen, wo er 1943 verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert wird. Theodor Wolff wird ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht und stirbt im September im Berliner Jüdischen Krankenhaus. Das längst gleichgeschaltete Berliner Tageblatt war am 31. Januar 1939 wie bereits die meisten anderen Zeitungen des Verlages endgültig eingestellt worden. Renate Oschlies (epd)

Die Ausstellung ist bis zum 8. Mai täglich außer montags von 10 bis 20 Uhr im Martin-Gropius-Bau zu sehen.