Medien fest in Männerhand

Frauen in Leitungspositionen sind bei Zeitungen und Rundfunk noch immer eine Seltenheit / Beim SFB sind Chancen für Frauen rückläufig / Frauenpolitische Berichterstattung nimmt ab  ■ Von Sabine am Orde

SFB-Frauenvertreterin Ingrid Schindler hat ihren Optimismus verloren. Obwohl es bei der Berliner Rundfunkanstalt bereits seit Mai 1989 eine interne Dienstvereinbarung zur Frauenförderung gibt und auch das Landesgleichstellungsgesetz gilt, sind besonders die höheren Etagen noch fest in Männerhand: Unter den Direktoren gibt es keine Frau, bei den HauptabteilungsleiterInnen eine (10 Prozent), bei den AbteilungsleiterInnen elf (8,8 Prozent). Immerhin steigt langsam die Anzahl der Redakteurinnen: Mit 18 neuen Frauen ist der Anteil auf 65, gut ein Viertel, gestiegen.

Auch in der Berliner Tagespresse sind Frauen von der Hälfte der Macht noch weit entfernt: Eine Chefredakteurin haben nur die FAZ-Tochter Neue Zeit und die auf allen Ebenen quotierte taz, Vizechefinnen gibt es bei der Berliner Zeitung, dem Neuen Deutschland und der Jungen Welt. Auch Ressortleiterinnen sind noch immer dünn gesät: Bei der Berliner Zeitung werden das Innenpolitik-, Kultur- und das Ratgeber/Leserbrief-Ressort von einer Frau geleitet, beim Tagesspiegel die Wirtschaftredaktion, bei der Berliner Morgenpost keine. Dabei ist bei der Springer-Zeitung ein Drittel der RedakteurInnen weiblich, bei der Berliner Zeitung sind es 38 Prozent. Beim Tagesspiegel waren trotz zahlreicher Nachfragen keine Zahlen zu bekommen. Wie überall sind auch in Berlin die meisten Frauen in den „weichen“ Ressorts zu finden: In den Bezirks- und Lokalredaktionen, bei den Sonntagsbeilagen und im Kulturressort. An mangelnder Qualifikation kann das nicht liegen: Beim SFB sind sieben von zehn, bei der Morgenpost sogar elf von 13 VolontärInnen Frauen, und inzwischen ist die Hälfte der NachwuchsjournalistInnen der Berliner Journalistenschule ebenfalls weiblich.

Trotzdem scheint eine Verbesserung nicht in Sicht. Zumindest beim SFB seien die Chancen für Frauen sogar eher rückläufig, befürchtet Frauenvertreterin Schindler. Der Grund: der Einstellungsstopp bei der Rundfunkanstalt. Hanne Daume, Vorsitzende der IG Medien beim SFB, kritisiert das fehlende Engagement der Rundfunkleitung für Frauengleichstellung.

Frauenvertreterin Schindler sieht drei Gründe, warum sowenig Frauen in Leitungspositionen vorgedrungen sind: „Frauen stellen bei Bewerbungsgesprächen ihre Qualifikation und ihr Können zurückhaltender dar als ihre männlichen Kollegen.“ Außerdem würden hier „Männerbündnisse“ gut funktionieren. Schließlich würden sich noch immer zuwenig Frauen auf Führungsstellen bewerben. Viele hätten eben keinen Spaß an dem „Kampf in der Hierarchie“. „Außerdem setzen sie andere Prioritäten als Männer.“ Damit hat auch die Innenpolitikchefin der Berliner Zeitung, Bettina Urbanski, zu kämpfen: „Dieser Job beschäftigt mich rund um die Uhr, und Partnerschaft und Familie leiden darunter.“ Deshalb entscheiden sich viele Frauen gegen eine Karriere im Journalismus.

Beim SFB gibt es inzwischen einige Teilzeitarbeitsplätze, doch noch sind das Ausnahmen. In der „Zeitpunkte“-Redaktion beispielsweise, die seit 15 Jahren mit Frauenpolitik über den Äther geht, verzichten vier Redakteurinnen auf ein Viertel ihrer Stelle und haben so eine fünfte Frau im Team.

Nach dem Tod der „Dissonanzen“, der Frauensendung des ehemaligen Radio 100, machen die „Zeitpunkte“-Frauen die einzige frauenpolitische Radiosendung in Berlin. Mit den Jahren hat sich ihr Magazin verändert: „Wir sind selbstironischer, distanzierter und pragmatischer geworden“, sagen sie. Themen, bei denen sie sich nicht eindeutig solidarisch verhalten konnten, hätten sie früher weggelassen. „Heute berichten wir auch über die Zweifel von Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch und wie sie damit fertig werden.“ Im Laufe der Jahre mußten die Rundfunk-Feministinnen und ihre Hörerinnen immer wieder um ihre tägliche Sendung kämpfen. Inzwischen hat der SFB sie von SFB 2 auf die Kulturwelle SFB 3 abgeschoben. Doch auch hier haben sich die Einschaltquoten inzwischen stabilisiert. Die Alternative zur eigenen Sendung auf SFB 3 wäre die reine Zuarbeit für andere Redaktionen gewesen. Das wäre nach ihrer Einschätzung das Ende der frauenpolitischen Berichterstattung: „Wenn es drauf ankommt, fallen die Frauenthemen hinten runter.“ Die taz-Frauen haben sich anders entschieden. Im Frühjahr 1990 schaffte die taz ihre Frauenseite ab. „Wir wollen, daß die Frauenthemen auf allen Seiten der taz auftauchen“, begründete die damalige Frauenredakteurin Gunhild Schöller ihre Entscheidung. Auch der Tagesspiegel hat im Mai vergangenen Jahres seine Frauenseite eingestellt. Zuvor war sie, mit liberalem Konzept, sonntäglich in der Weltspiegel-Beilage erschienen. Inzwischen heißt die Seite „Gesellschaft“, und die Frauenthemen darauf sind seltener geworden. „Wir wollten einen größeren Leserkreis erreichen und weg vom Schubladendenken“, erklärt Weltspiegel-Redakteurin Susanne Kippenberg. „Aber wir haben uns von den Themen nicht verabschiedet.“ Hella Kaiser, sechs Jahre lang Tagesspiegel-Frauenredakteurin, ist anderer Meinung: „Die Frauenthemen kommen jetzt nicht mehr vor.“

Seitdem es die Frauenseiten nicht mehr gibt, tauchen Frauenthemen zwar hin und wieder auf taz- und Tagesspiegel-Seiten auf, aber eben nur dann, wenn sie Nachrichtenwert haben. Doch der bestimmt sich im journalistischen Alltag nicht nach feministischen Gesichtspunkten.