CDU-Linker auf „langem Marsch“

Der Düsseldorfer CDU-Fraktionschef bekommt Konkurrenz bei der Nominierung als Spitzenkandidat / Staatssekretär Norbert Lammert tritt gegen Blüm-Favorit Helmut Linssen an  ■ Von Walter Jacobs

Düsseldorf (taz) – Es kommt Leben in die Bude der nordrhein- westfälischen CDU. Bei der Nominierung ihres Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl wird es zu einer echten Kampfabstimmung kommen.

Gestern kletterte Norbert Lammert, Staatssekretär im Bonner Bildungsministerium, in den Ring. Mit Lammert erwächst dem bisher einzigen Kandidaten Helmut Linssen ein ernsthafter Konkurrent. CDU-Landeschef Norbert Blüm, der angesichts der desolaten Situation der CDU in Nordrhein-Westfalen keinerlei Lust verspürt, selbst noch einmal anzutreten, hatte sich vor Wochen im CDU-Landesvorstand zum Ärger vieler CDU- Mitglieder eindeutig für Linssen als neuen Spitzenkandidaten ausgesprochen. Der 51jährige Unternehmer vom Niederrhein habe sich als Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag bewährt und sei deshalb „ein natürlicher Anwärter“.

Für den Fall weiterer BewerberInnen vereinbarte die CDU-Führung eine direkte Mitgliederbefragung nach dem Scharping-Schröder-Modell. Nach der gestrigen Erklärung von Lammert, der von vielen CDU-Reformern zur Kandidatur gedrängt worden war, dürfen die rund 200.000 CDU-Mitglieder in NRW nun ran. Wahrscheinlich wird es beim Zweikampf bleiben. Die immer wieder ins Gespräch gebrachte CDU-Wirtschaftsexpertin und Hauptgeschäftsführerin der Handelskammer in Münster, Christa Thoben, will auf keinen Fall antreten, „wenn es bei dem jetzigen Zeitplan bleibt“. Der sieht vor, daß die Meldefrist für KandidatInnen am 16. März endet.

Nach der Basisbefragung soll dann der formal zuständige Landesparteitag am 28. Mai die endgültige Entscheidung treffen.

Zwischen Lammert und Linssen gibt es tatsächlich etwas zu wählen. Während Linssen vor allem wegen seiner schrillen, in Fragen der Ausländerpolitik und der Inneren Sicherheit reaktionären Töne Schlagzeilen machte, gehört der aus Bochum stammende Lammert zum dezimierten Reformerflügel der CDU. Unter normalen Umständen ein gewiß aussichtsloses Rennen, aber die Umstände in Nordrhein-Westfalen sind nicht normal.

Seit 1966 befindet sich die CDU an Rhein und Ruhr in der Opposition. Von Wahl zu Wahl ging es tiefer in den Keller. Ganz gleich ob mit Biedenkopf, Worms oder Blüm. Letzterer schaffte 1990 gerade mal 36,7 Prozent. Nach Umfragen liegt die CDU inzwischen sogar unter 30 Prozent.

Niemand in der CDU traut Linssen ernsthaft zu, die Partei aus diesem Tief herausführen zu können. Während Linssen für die routinierte Verwaltung des Siechtums steht, stünde mit Lammert zumindest Bewegung ins christdemokratische Haus. Daran könnten möglicherweise auch CDU-Mitglieder Gefallen finden, die dem 45jährigen Soziologen, der Mitglied der Sozialausschüsse ist, politisch eher fern stehen. Lammert will „keinen Richtungsstreit, vor allem keinen ideologisch überhöhten“, aber „es ist sicher wahr, daß ich nicht auf dem rechten Flügel angesiedelt bin“.

Das kann man von Linssen nicht eben behaupten. Während Linssen die tatsächlichen Aussichten der CDU bei jeder Gelegenheit schönredet, weiß Lammert, daß kurzfristig gegen die dominierende SPD nicht viel auszurichten ist. Deshalb, so Lammert, komme es darauf an, „den Willen zum Sieg mit der Fähigkeit zum langen Marsch zu verbinden“. Der Mann hat seinen Mao gelesen.