Mann mit Ledertasche: Tod in Hollywood

■ US-Autor Charles Bukowski starb im Alter von 73 Jahren

Berlin (taz) – Der Mann kommt tatsächlich aus Andernach am Rhein. Und weit hat er's gebracht: Ein Bungalow in San Pedro bei Los Angeles war die letzte Produktionsstätte des legendären Charles Bukowski, der vorgestern an einer Lungenentzündung in San Pedro starb – Ikone seiner selbst und eines numerisch respektablen Publikums. Wie der einstige CSU- Generalsekretär Wiesheu hatte er ein Verfahren wegen Trunkenheit am Steuer, zog sich aber im Gegensatz zu diesem aus der Arbeitswelt zurück – obwohl er niemanden totgefahren hatte. Der ehemalige Werbetexter für ein Luxusbordell, der Nachtportier, Zuhälter, Sportreporter, Hafenarbeiter und Briefsortierer Bukowski veröffentlichte nach diversen Zeitschriftenbeiträgen 1960 seinen ersten Gedichtband und galt fortan als Autor. „Blume, Faust und Tiergeheul“ gehört noch zur eher surrealistischen Anfangsphase des Lyrikers, der im Laufe seines Lebens trockener und radikaler wurde und politische Themen wie den Vietnamkrieg aufgriff.

Bukowski, von Turgenjew, Dostojewski, Sinclair und Hemingway für die Literatur gewonnen, sah sich in der Tradition der poètes maudits von Villon bis Rimbaud: „Mein Beitrag war es, die Lyrik loszulösen und sie einfacher zu machen, sie menschlicher zu gestalten. Ich habe ihnen beigebracht, daß man ein Gedicht in der gleichen Art und Weise schreiben kann wie einen Brief, daß ein Gedicht sogar unterhaltsamer sein kann und daß zu einem Gedicht nicht notwendigerweise ein Anflug von Heiligkeit gehört.“ Damit hat er tatsächlich aufgeräumt: In deutschen Schulbussen der siebziger Jahre kursierten seine Taschenbücher als Porno für den Jungmann, der mit Begeisterung zur Kenntnis nimmt, daß seine Masturbationsphantasien Gegenstand des gymnasialen Unterrichts sein können. Zu dieser Identifikation mag beigetragen haben, daß der Autor Bukowski unter den schwerwiegenden Folgen einer bösartigen Jugendakne zu leiden hatte: ein wichtiges Thema seiner Autobiographie. Aber auch das US-Establishment hatte seine Freude an dem gern betrunken lesenden Autor (ein Kühlschrank mit Bier, natürlich Dosenware, war immer mit auf der Bühne), der ihm erzählte, wie trübe, gewalttätig und lüstern- exzessiv das Leben in der Gosse war. Von den Beatniks à la Ginsberg, die als Protagonisten des zeitgenössischen Kulturbetriebs Schreibseminare abhielten, distanzierte sich Bukowski allerdings: als Original im rüden Gegensatz zur Fälschung. In den achtziger Jahren wiederholten sich die Themen des Lyrikers und Prosaisten, der aus seiner arrivierten Position heraus den Dreck nicht mehr greifen, sondern nur mehr erinnern konnte. Es folgten Ausflüchte in Banalität, Publikumsbeschimpfung und die Retrospektive, bis hin zu seiner wieder gerühmten Autobiographie „Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend“ (deutsche Übersetzung 1983), in welcher der 1920 geborene Sohn deutsch-polnischer Immigranten seinen Abstieg in Kriminalität und Alkoholismus als individuell und sozial programmiert beschreibt: ein Antibildungsroman, bei dem am Ende nicht die reife Persönlichkeit, sondern das Wrack steht.

Entgegen dem Bedürfnis seiner vorwiegend männlichen Anhänger, seine Biographie sozial zu verkitschen, hat Bukowski freilich seinen Lebenslauf nicht zur Nachahmung empfohlen. jl/esFoto: T. Bartels