Medium ohne Grenzen

■ „Grenzenlos“: Kunsthaus zeigt 70 Arbeiten von KünstlerInnen im Exil

Kunst im Exil - da bleibt mitunter nicht mehr, als die goldgerahmte Erinnerung an das Heimatdorf in Kurdistan. Arbeiten von dreißig in Deutschland „bleibeberechtigten“ Künstlerinnen und Künstlern aus zwölf Nationen zeigt nun die Ausstellung Grenzenlos. Hamburg ist die zwölfte Station der vor zwei Jahren in Bonn eröffneten Auswahl „zeitgenössischer Kunst im Exil“, die nach einer Tour durch insgesamt siebzehn Orte im Herbst in Berlin enden wird.

Der bedrängte Mensch schneidet seine Gitter auf (Collage von Adolf Cerny, Tchechien), nimmt seinen Koffer (Installation von Nicole Guiraud, Algerien) und fällt in einen leeren Raum (Bild von Ahmad Rafi, Iran). Zwischen Erinnerung und den Moden des hiesigen Kunstbetriebs und ohne thematischen Rahmen verweisen die knapp siebzig Arbeiten auf ganz individuelle Geschichten, die der Status als Asylant nur höchst äußerlich umschreibt. Trifft auf einen anerkannten Künstler wie Jan Koblasa, der seit 1968 in Hamburg lebt, noch die Bezeichnung Flüchtling zu? Wie verhalten sich die Probleme eines Moskauer Künstlers, der 1992 zu seinen Freunden nach Düsseldorf kam, zu denjenigen der verfolgten und bespitzelten Iraner?

Kunst von Flüchtlingen ist ein ungutes Kriterium. Es soll den Künstlern unter den Verfolgten eine Chance geben, die der Kunstmarkt ihnen (wie den meisten anderen) nur zögerlich einräumt. Es demonstriert, daß auch unter den Asylanten Künstler sind, die die deutsche Kulturlandschaft bereichern, und bleibt gleichzeitig in eben diesen begrifflichen Ausgrenzungen befangen.

Auch wenn der Kunstcharakter der Schau immer wieder nachdrücklich betont wird, verweisen die mitveranstaltenden Organisationen wie Rotes Kreuz und Deutsche Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe nachdrücklich auf das inhaltliche Problem: 45 Millionen Flüchtlinge weltweit, davon circa 90 Prozent in der „Dritten Welt“ und die inzwischen in Deutschland fast vollständige Ablehnung aller Asylanträge, da Krieg, Bürgerkrieg und Vergewaltigung nicht mehr als Asylgrund anerkannt werden. Doch bei Grenzenlos geht es nicht um Flüchtlinge, die malen, sondern um in ihrer Heimat verfolgte Künstler im Exil. Dabei dient die Eingrenzung auf den Ausländeraspekt im ohnehin restriktiven Kunstbetrieb nicht sonderlich. Beispielsweise sind von den Mitgliedern des Hamburger Berufsverbandes Bildender Künstler über zehn Prozent ausländischer Herkunft und kämpfen gleichermaßen um ihre Chancen wie ihre deutschen Kollegen. Grenzenlos zeigt keine Folklore und ist - trotz Bildern wie das die iranischen Mullahs anklagende Triptychon von Schahab Mussawisade - auch nicht vordergründig politisch. Der hochkarätigen Jury erschienen diejenigen Arbeiten am akzeptabelsten, die am meisten der euroamerikanischen aktuellen Kunst angepaßt sind: Der Kitschkunstkommentar zur Operette „Land des Lächelns“ von Lehar durch den Chinesen Wang Fu, Nicole Guirauds Einmachgläser von neun Monaten Leben oder die in wohlbekanntem Yves-Klein-Blau gehaltenen Arbeiten von Adem Yilmaz aus der Türkei. Am Ende bleibt die Hoffnung auf produktive Kulturkontakte und die Kraft der Kunst als grenzenlosem Medium, in dem Nationalitäten nicht bedeutender sind als die Frage, ob der in Andalusien geborene Katalane Picasso nun Spanier oder Franzose war. Hajo Schiff

Katalog 25 Mark, Kunsthaus BBK, Klosterwall 15, bis 10.April