Kettensäger contra Pistolero

■ Neun Monate auf Bewährung für Bauwagenbewohner

„Ich bin nicht besonders stolz auf diese Aktion“, sagt Christian D. Der 28jährige Bauwagenbewohner ist vor dem Amtsgericht Altona wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Gefangenenbefreiung angeklagt. Er war im Januar vergangenen Jahres mit einer laufenden Kettensäge auf einen Polizisten losgegangen.

Zu dem Vorfall war es gekommen, als eine Streifenwagenbesatzung den Fahrer eines Treckers überprüfen wollte. Auf dem Anhänger befanden sich ungefähr zehn weitere Personen. Weil der Traktorist zwecks Blutentnahme zur Wache gebracht werden sollte, flüchtete er und es kam zu einer gefährlichen Eskalation. Nach Aussagen von zwei Polizisten sollen Flaschen geflogen sein, und außerdem „wurden Baseballschläger eingesetzt“.

In diesem unüberschaubaren Gerangel griff Christian D. zur Kettensäge. „Weil ich mich durch die gezogene Waffe eines Beamten bedroht fühlte“, sagt der in der Bauwagenszene als friedlich bekannte Angeklagte. Skinheads hätten ihm schon einmal eine Pistole in den Mund gesteckt. „Er wollte wohl seinen Kumpel befreien“, meinen die Polizeizeugen. Doch auch sie geben zu Protokoll: „Der Mann hat uns zugerufen: Ich will Euch nicht verletzen, ich will Euch nur Angst machen.“

Als sich die Gegner mit Kettensäge und Pistole gegenüberstanden, kehrte plötzlich Vernunft ein. Christian D. stellte den Motor ab, die Waffen blieben im Halfter oder wurden wieder eingesteckt. Zu den Festnahmen kam es dann erst später.

Für Richter Kloß ist Christian D. denn auch niemand, „der mit Kettensägen Köpfe abschneidet“. Er wertet die Aktion eher als „einmaligen, wenn auch sehr gefährlichen Ausrutscher“, und glaubt dem Angeklagten, daß es ihm heute leid tut. Dennoch verhängt er eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, die er zur Bewährung aussetzt. Darüber hinaus muß Christian D. 100 Arbeitsstunden gemeinnützige Arbeit ableisten. „Meinetwegen auch zugunsten des Bauwagenplatzes, auf dem sie wohnen.“

Torsten Schubert