Nabelschau und Paternalismus

■ Die Publizistin Cherifa Magdi über die Konkurrenz zwischen deutschen und nichtdeutschen Frauenrechtlerinnen

Die gebürtige Ägpterin lebt seit 1960 in Deutschland und schreibt Bücher und Aufsätze über internationale Menschenrechtsverletzungen an Frauen. In der vergangenen Woche war sie zu Gast in der Evangelischen Akademie Loccum

taz: War für Sie die Idee eines Frauengeneralstreik am 8. März sinnvoller als dezentrale und beliebige Proteste?

Das ist eine romantisierende Vorstellung linker Frauen von Sozialismus und Massenbewegung. Trotz des historischen Scheiterns des Sozialismus halten sie daran fest, Veränderungen durch Massen zu bewirken, anstatt neue Protestformen zu entwickeln. Ich finde dezentral organisierte Proteste gut. In dieser Frage können Frauen des Nordens von den Frauenbewegungen des Südens lernen. Ein Zentrum kann leichter zerschlagen werden als ein Netz.

Auch Bündnisse zwischen Eingewanderten und – wie Sie sie nennen – den Eingeborenen?

Ja. Immer noch flackert bei den deutschen Frauen der Paternalismus der 70er Jahre auf. Deutsche Feministinnen haben nun die türkische kopftuchtragende Frau entdeckt und dabei nicht reflektiert, daß sie als Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft von den Zugewanderten profitieren.

Gibt es auch gemeinsame Interessen?

Sobald zugewanderte Frauen die Forderung nach Gleichberechtigung stellen, entsteht erst einmal Konkurrenz. Dies könnte aber auch eine Schnittstelle für eine Zusammenarbeit sein: Deutsche Frauen sollten sich für eine ethnische Quotierung in allen Bereichen einsetzen. Lassen sie Entrechtung und Diskriminierung an zugewanderten Frauen zu, lassen sie als nächstes ihre eigene Entrechtung zu. Die Haltung der deutschen Frauen macht mich traurig. Bei jeder Verschärfung des AusländerInnenrechts haben wir gesagt: Das ist auch Eure Sache. Wir müssen uns gemeinsam dagegen wehren.

Die Teilhabe am System macht blind für die Entrechtung der Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen. Es bedarf noch hartnäckiger Aufklärung über das sexistische und rassistische Ausländer- und Asylverfahrensgesetz. Wie können die Frauen damit leben, daß etwa zwei Millionen Frauen ohne Wahlrecht sind oder sich nur unter der Gefahr einer Ausweisung scheiden lassen können?

Was war noch international am internationalen Frauentag?

Leider kann ich nicht viel erkennen. Selbst die Diskussionen über die Lebensbedingungen der Frauen in arabischen Ländern, die nach dem Golfkrieg eingesetzt hatte, findet nur noch vereinzelt statt. Ich habe den Eindruck, daß seit der Wiedervereinigung die deutschen Frauen eine Nabelschau betreiben.

Interview: Nada Nangia