■ Bremen-Mailand...
: Eine Reise,...

Jörn (21) hatte auch drei Tage nach seiner Rückkehr noch das grün-weiße Flackern im Auge. So wie der ruhmreiche SV Werder im Mailänder Guiseppe-Meazza-Stadion, so hat auch er gekämpft, allerdings nicht auf dem Rasen, sondern auf dem Rang. Jörn war einer von rund 5.000 Bremern, die zum 3. März in Richtung Italien ausgeschwärmt waren, um dort die Grünweißen in heimischer Mundart anzufeuern. Allerdings ging die Reise nach verschärften Regeln, denn der Rückweg führte über München und das Bundesligaspiel Bayern - Werder Bremen mit einem kleinen Zwischenstopp bei einem Play-Off-Spiel in der Eishockey-Bundesliga.

Aber was tut ein echter Fan nicht alles, wenn es gilt, die eigenen Farben hochzuhalten. Vier Tage Urlaub nehmen, Dienstag mittags in einen Reisebus setzen und schon nach 17 Stunden am gewünschten Ort wieder aussteigen gehört zu den leichteren Übungen. (Seit der Erfindung der Bordtoiletten haben sich die Fahrzeiten drastisch verkürzt.)

Zwei Busse waren unter der Obhut des Dachverbandes der Bremer Fanprojekte gestartet. Großes Treffen mit allen Bremern war Mittwoch mittag auf dem Domplatz zu Mailand. „1.500 Bremer waren da, die Stimmung war super, und die Menschen dort haben uns sehr freundlich behandelt“, erzählt Jörn.

Ein richtiger Fan deckt sich, wenn er erst einmal das Stadion betreten hat, mit Fan-Artikeln ein: Schals, Anstecker, Fahnen. Es ist keineswegs paradox, wenn ein Bremer Fußballfan nach Mailand fährt und sich dort einen Schal von Aston Villa kauft (wie Jörn). „Die Sachen waren da teilweise bedeutend billiger als hier.“ Der Eintritt aber nicht: Die Bremer Fans mußten 40 Mark für einen Sitzplatz hinlegen. Werder hatte die Stehplatzkarten für die Heimspiele der Championsleague im Dreierpack zu 48 Mark verkauft. In Mailand können die Fans keine Stehplätze mehr kaufen, sondern müssen Sitzplatzkarten erwerben und sich dann auf die Schalensitze stellen, wenn sie stehen wollen. Nach der Beobachtung der Bremer, die beim Thema Sitzplätze immer aufpassen, wird von dieser Möglichkeit ziemlich Gebrauch gemacht.

Ein echter Fan bewährt sich vor allem in der Minute der Not. In Mailand war das die 68. Spielminute. „Fünf Minuten lang waren ...wir (Weiter geht es in der rechten Spalte auf dieser Seite)der Ball versprungen war, nahm ihm aber niemand übel. „Ausgerechnet Frank, unser Mister Europacup, haben wir gedacht, aber natürlich hat gerade der noch ein paar Dinger gut, weil er uns in entscheidenden Spielen schon so oft weitergeschossen hat.“ Deprimierend war es aber schon.

Ein bißchen seltsam sind die italienischen Verhältnisse denn doch schon, findet Jörn. Er mußte zum Beispiel seine Wunderkerzen abgeben, dafür durfte er auf den von Milano-Fans besetzten Rängen ausgiebig bengalische Feuer bewundern. Insgesamt ein „überwältigender Anblick“, erzählt Jörn, und eine „Super-Atmosphäre“, die auch nach dem Abpfiff der Partie noch lange das imposante Stadionrund bestaunen konnte: Eine Stunde lang mußten die Werder Fans warten, bis die Carabinieri sie aus dem Block herausgelassen hatten. Dabei hätten die Bremer gerne noch mit den rot-schwarzen ein Bierchen gezischt. „Ging aber leider nicht, weil die nicht mehr da waren, als wir rauskonnten, und dann mußten wir auch gleich zum Bus.“

Insgesamt aber hat der italienische Fan in der Beobachtung seiner Konkurrenz aus Bremen doch an Begeisterung nachgelassen. „Kein Vergleich zu –89“, sagt Jörn. Die Bremer Gruppe habe da akustisch in diesem Spiel doch gut mithalten können. Das zählt vor allem, wenn die eigene Mannschaft verloren hat, denn für die Fans ist die Lautstärke, was für die Mannschaft die Tore sind. Kleine Episode am Rande: Für die Ölung der Stimmbänder mußte so mancher Fan im Stadion 5.000 Lira pro Getränk abdrücken, während die Italiener - Überraschung, Überrascung - nur 3.000 bezahlten.

Von Mailand nach München dauert die Reise nur ein paar Bier und ein bißchen Schlaf. Zwei Nächte endlich mal wieder ein Bett, dann das deprimierende Spiel gegen die Bayern. Am Freitag davor noch hatten die Werder-Fans mit den Münchner Tigers gefeiert, eine ungewöhnliche Aktion angesichts des etwas problematischen Verhältnisse zwischen den Fans. Weil auch nach dem Spiel noch eine Fete in einem Bierhaus stattfand, darf man nicht unbegründeter Hoffnung vom einem Tauwetter zwischen Bayern und Werder-Fans sprechen. „Aber eine richtige Fan-Freundschaft wird es nicht geben“, sagt Jörn. „Da könnte ich ja gleich für den HSV sein.“

mad