Pleitegeier ahoi

■ Kostenexplosion beim Notübernachtungsschiff Jola: schlechter Standard, aber dreimal so teuer wie letztes Jahr / Drogenhilfe mauert

Aufregung überall im Sozialbereich, die Angst vorm Sterben der Projekte geht um, wenn der Senat die aktuellen Sparvorschläge annimmt, dann heißt es in vielen Bereichen Land unter. Da verwundert es doch sehr, wenn man auf Projekte stößt, die nach wie vor komfortabel oben schwimmen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn in diesem Fall geht es um ein Schiff, um die Jola, Notübernachtungsschiff für Drogenabhängige, das seit mehr als drei Jahren an der Stephanibrücke festgemacht ist. Für die 17 Plätze hat Bremen im letzten Jahr noch 226.000 Mark ausgegeben. Wer aber in das Drogenbudget für dieses Jahr schaut, das der Senat Anfang Februar verabschiedet hat, der wird zuerst an einen Druckfehler denken. Über Neujahr ist das Schiff nämlich ein bißchen teurer geworden, genauer gesagt um fast das Dreifache, noch genauer: Bremen zahlt dem Betreiber Drogenhilfe e.V. 1994 die stattliche Summe von 650.000 Mark.

Schon als die Jola in Dienst gestellt wurde, hatte sie für reichlich Zündstoff gesorgt. Die einen, das waren vor allem Waller BürgerInnen und BeiratspolitikerInnen, von denen wollten viele nach alter Bremer Sitte mit den Drogenkranken am allerliebsten nichts zu tun haben. Ihr Protest hat nichts genützt, das Schiff kam doch, weil es an Notübernachtungen nicht gerade Überfluß gab. Und das ist auch der Grund, warum das Schiff immer noch in Betrieb ist. Auch trotz des Protestes der anderen Seite. Das waren nämlich Sozial- und GesundheitspolitikerInnen, die die Jola für unzumutbar hielten. Der Vorwurf: Der Standart der Unterbringung ist der schlechteste der Stadt, die Kabinen sind feucht und eng, dafür aber ist die Einrichtung viel zu teuer. Billiger sei es, so der Vorwurf, feste Unterkünfte anzubieten. Die, so die Sozialbehörde, seien aber damals genauso schwer zu finden gewesen, wie sie es heute sind. Stichwort: Bürgerprotest.

Also wurde die Jola betrieben. Mehr als 226.000 Mark im letzten Jahr für 17 Plätze standen 146.615 Mark für 20 Plätze in der Föhrenstraße gegenüber. Teurer war nur die aufwendig bewachte Containeranlage in Oberneuland: Knapp 409.000 Mark für 25 Betten, aber immer noch viel billiger als die Jola heute. Daß die Jola über Jahre zu dem vergleichsweise günstigen Preis gehalten werden konnte, das lag allein an der Bundesregierung, und daß sie jetzt so teuer wurde auch. So will es das Sozialressort sehen. Bonn hatte ein Programm mit dem schönen Namen „Booster“ aufgelegt. Danach sollte mehr Geld in die Arbeit mit stark verelendeten Drogenabhängigen fließen. Das war bei den Notübernachtuungen also genau richtig angelegt. Dumm nur, daß das Programm Ende des letzten Jahres auslief. Der AK Kommunale Drogenhilfe, der auch eine Stelle abbbekommen hatte, kündigte rechtzeitig. Nicht so die Drogenhilfe e.V., die Betreiberin der Jola. Und schon gar nicht wurde beim Sozialsenator Druck in diese Richtung gemacht. Sehenden Auges rauschte das Ressort und die verantwortliche Deputation im Hintergrund in die absehbare Kostenexplosion. Die Bonner Mittel blieben aus, der Zuschußbedarf gegenüber dem Land schoß in die Höhe, und mittlerweile zahlt Bremen pro Übernachtung auf der Jola Preise wie für ein Mittelklassehotel. Der Pflegesatz stieg pro Mensch und Nacht von gut 60 auf 123,50. Nur schade, daß Mittelklassehotels keine Junkies wohnen lassen. Der Senat hat die Vorlage ohne Diskussion passieren lassen.

Dem Sozialressort ist die Angelegenheit mittlerweile einigermaßen peinlich. „So schnell wie möglich“ wolle man aus dem Projekt aussteigen, heißt es aus dem verwaisten Hause Gaertner, sobald ein Alternativobjekt gefunden sei. Darauf hoffen auch die SozialpolitikerInnen. „Solche Kosten sind überhaupt nicht vertretbar“, meint Elke Steinhöfel von der SPD, die auch keinen Anlauf gemacht hatte, die Jola rechtzeitig vor dem Kostenboom loszuwerden. Und die Grüne Karoline Linnert, die von Anfang an gegen die hohen Kosten dieser Art von Übernachtungseinrichtung gewettert hatte, hofft nun auf bessere Einsichten, „daß endlich begriffen wird, daß feste Häuser letztlich viel billiger kommen, als Notcontainer oder so ein Schiff.“ Diese Einsichten scheinen unter dem Kostendruck eher zu wachsen – nur nicht bei der Betreiberin der Jola. Peter Teichert, einer der beiden Drogenhilfe-Geschäftsführer steht öffentlichen Mitteln aufgeschlossener gegenüber, als öffentlichen Fragen: „Sie glauben doch wohl nicht, daß ich dazu Stellung nehme. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“ – und wirft den Hörer auf die Gabel.

Jochen Grabler