: Keine Papageien auf zwei Rädern
■ Zu neuen Rädern gehört stets neue Mode / Trend: Weniger schrill / Kleidung für Kuriere ist Imagefrage
Wenn sich Bernard Hinault früher bei der Tour de France das gelbe Trikot des Spitzenreiters überstülpte, dann war der Nationalheld weithin sichtbar. Das Gelb stach heraus. Käme er heute mit seinem Winner-Shirt nach Berlin, er würde als biederer Spießer verlacht, der ein langweiliges Hemdchen anhat.
Seit Jahren schon scheint Tag für Tag ein internationales Radrennen in der Stadt stattzufinden, so läßt die Kleidung zumindest vermuten. Knatschbunt sind die Trikots, als müsse ein Zeitnehmer die Fahrer identifizieren, knalleng die Hosen, denn unnötiger Luftwiderstand stört auch bei der Fahrt zur Apotheke oder zum Finanzamt.
Möchtegern-Thuraus verunsichern Grunewald
„Es gibt schon die Kunden, die bei der Fahrradkleidung nur auf das sportliche Aussehen achten“, berichtet Rolf Ruthe, Verkäufer bei „bannat“ in Wilmersdorf: „Die fahren Sonntags mit dem Auto in den Grunewald, drehen eine Runde auf dem Rad und fahren zurück.“ Mit möglichst vielen Markennamen auf ihren Trikots sähen diese „vermeintlich professionell“ aus, so Ruthe: „Die kann man zehnmal gegen den Wind riechen.“ Allerdings sei diese Käuferschicht etwas kleiner geworden, seit praktisch kein deutscher Fahrer mehr in der Weltspitze mitfährt, „das war was anderes, als Didi Thurau noch dabei war“.
Der jedoch sähe vermutlich mehr als alt aus, müßte er heute an der Ampel einen Startspurt gegen einen Radkurier gewinnen. Mit seiner früheren Kleidung hätte er auch keine Chance auf den Job: „Die Fahrradkleidung ist für uns eine Imagefrage“, stellt Dolores Voßmüller von den „messenger“- Kurieren klipp und klar fest: „Je sportlicher einer aussieht, desto besser der Eindruck.“ Knackig enge Radlerhosen würden von der Kundschaft schon erwartet. „Das ist nicht so gut, wenn da einer in seinem 30 Jahre alten Trainingsanzug hinkommt.“
Zunehmend achteten die an das Tempo der Boten gewohnten Kunden jedoch auch darauf, daß die Kuriere „ordentlich und sauber“ kämen, beschreibt sie die Schwierigkeit, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Schwarz als Grundton sei daher gefragt, „mit allen möglichen Farben aufgepeppt“. Das habe für die Fahrer den Vorteil, daß sie im Verkehr besser gesehen würden, verweist sie auf die Funktionalität.
Doch der Trend geht nach Auskunft von Rolf Ruthe weg vom Knalligen: „Die Farbtöne werden angenehmer, weniger schreiend, und Neon ist völlig out.“ Ruthe verspricht, daß die Herbstmode „eher prägnante Drucke bringt, etwa stilisierte Radfahrer oder Zahnräder“. Zudem werde alles „nicht mehr ganz so eng“ sein, legerer Leinen-Look habe Zukunft.
Niemand braucht mehr in Kapuzen zu glotzen
Davon geht auch der Hersteller „K2“ aus, der in schönstem Werbe- Deutsch verspricht: „Brillante Farben und klare Grafikmuster stellen die Association perfekt zur Hardware dar.“ Ruthe räumt den Neuerungen einige Erfolgschancen ein, denn seitdem Radfahrer „nicht mehr als Papageien rumfahren“ wollten, werde spezielle Radlerkleidung mehr und mehr als Alltagskleidung akzeptiert.
Vorbei sind also die Zeiten, in denen sich Radler umsehen wollten und dabei in ihre eigene Kapuze glotzten. „Bei Rad-Regenjacken passiert so etwas nicht“, verspricht Ruthe: „Und einen Spritzschutz am Hintern haben sie auch.“ Christian Arns
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