Nofretete zieht um

■ Senator Hassemer legt Gutachten über das Neue Museum vor / Die Verwaltung soll Fachinteressen ignoriert haben

Der geplante Wiederaufbau des Neuen Museums wird zu keiner Rekonstruktion des heute zerbombten Originals führen. Vielmehr soll die erhaltene historische Bausubstanz mit den Mitteln der modernen Architektur erneuert werden. Die Wiederherstellung des im Krieg von Luftminen und Sprenggranaten zerstörten Stüler- Baus aus dem Jahre 1859 im Schatten des Pergamonmuseums ließe sich „nicht uneingeschränkt rechtfertigen“, sagte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer gestern bei der Präsentation des Gutachtens zur „ergänzenden Wiederherstellung des Neuen Museums“.

Gut eine Woche vor der Entscheidung des Bauwettbewerbs für die Neuordnung der Berliner Museumsinsel erfährt nun die Öffentlichkeit die Strategie der Denkmalpflege bei dem Bauvorhaben. Die Verwaltung muß sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Zurückhaltung der fast ein Jahr alten Analyse die Interessen der Bürger sowie der Fachöffentlichkeit ignoriert zu haben. Wahrscheinlich sollte ein Hochkochen der unterirdischen Gasblase und die Auseinandersetzung um Alt- und Neubau verhindert werden. Immerhin wurde den eingeladenen Architekten das Dokument mitgegeben. Die Auslober des Bauvorhabens für das Neue Museum erwarten von den Büros, darunter Norman Foster, Frank Gehry, Georgio Grassi, J.P. Kleihues, Hans Kollhoff, Axel Schultes sowie Oswald Ungers und Roland Simounet, daß bauliche Lösungen gefunden werden, die sich „nicht in restaurativer Wiederherstellung historischer Zustände erschöpfen“.

Die Gutachter stellten fest, sagte Hassemer, daß die einstige Hauptattraktion, die 30 Meter hohe Eingangshalle oder der ägyptische Hof für immer verloren seien und nicht als Kopie wieder aufgelegt werden könnten. Andere Räume des früheren Hauses für Ägyptische und Vorderasiatische Kunst, die in ihrer Farbgebung zum Teil erhalten geblieben sind, böten die Chance der Restaurierung. Nach dem Wiederaufbau des Museumsgebäudes sei geplant, an diesem Ort wieder ägyptische Kunst auszustellen. Die Büste der Königin Nofretete zieht somit von Charlottenburg nach Mitte um.

Die Wiederherstellung des Neuen Museums steht im Kontext der Sanierung und Neuordnung der Museumsinsel insgesamt. So sollen die archäologischen Sammlungen in Berlin in drei Gebäuden auf der Museumsinsel – dem Alten Museum, dem Pergamonmuseum und dem Neuen Musem – konzentriert werden. Die Planungen sehen nicht nur den Aufbau des Neuen Museums vor, sondern auch einen Erweiterungsbau am Kupfergraben. Zugleich sollen Verbindungsbauten zum Pergamonmuseum und zum Alten Museum entstehen. Ab 1995 wird die Nationalgalerie geschlossen, da auch sie, so Dieter Dube, Chef der Museen Preußischer Kulturbesitz, baulich „total ruinös“ sei. Für das gesamte Bauvorhaben schätzte Hassemer eine Dauer von zehn bis fünfzehn Jahren. Rolf Lautenschläger