Sonnenanbeter für den Alltag

■ Solarmobile sind nicht nur etwas für Spinner / Energieverbrauch der modernen Elektroleichtfahrzeuge im Verhältnis zum Auto minimal / Tüftler setzt aufs Fahrrad

Wenn Solarmobile am Straßenrand stehen, wird hingeschaut. „Den Porsche-Test haben wir schon gemacht“, versichert Arno Paulus vom Verein zur Förderung der Solarenergie in Verkehr und Sport (VFS). Bestaunt werde der vereinseigene Elektro-Trabi, aber noch gelten die Energiesparer als Exoten, sind Luxus-Schleudern mit Verbrennungsmotor normal.

Daran soll sich einiges ändern: „Zunächst mal könnten die Politiker die Bus-Spuren für Elektromobile freigeben“, schlägt Freimut Maass, Hersteller und Händler in Stuttgart, vor: „Das wäre eine Möglichkeit, ökologische Fahrzeuge zu unterstützen, ohne daß es auch nur einen Pfennig kostet.“ Seine Erfahrung seit 1987 habe ihm aber gezeigt, daß „wirklich gar nichts getan“ werde. Seiner Meinung nach sollten die Solarmobile rechts am Stau vorbeifahren dürfen, „dann überlegen sich die Leute, ob sie dauerhaft in dem Gestank stehen möchten“.

Eine spürbare Entlastung der Innenstädte strebt auch Paulus vom VFS an, doch nicht alle Elektrofahrzeuge seien ein Fortschritt. „Wenn der Energieverbrauch nicht durch Leichtbauweise niedrig gehalten wird, dann wird das Problem nur vom Auspuff zum Kraftwerk verlagert.“ Bettina Kosub, ebenfalls im VFS-Vorstand, hält einen Großteil der umgebauten Wagen der Automobilindustrie für „Mogelpackungen. Die sind so schwer, daß sie nicht allein durch regenerative Energien gespeist werden können.“ Der City Stromer von VW, der auf Basis des Golfs gebaut wurde, wiegt zum Beispiel rund 1.300 Kilo.

Und das ist der Streitpunkt: Der Begriff „Solarmobil“ heißt schon lange nicht mehr, daß das Fahrzeug mit den Photovoltaik-Bausteinen auf dem Dach herumfahren muß. Wichtig ist nur der geringe Stromverbrauch, der den Betrieb durch Windkraft, geothermische Energie oder eben Solarstrom ermöglicht. „Elektroleichtfahrzeug“ ist daher der Fachbegriff, auf den sich die bisherigen Solarmobil- Fans geeinigt haben.

800 Kilogramm gilt als Maximum für einen Leichtbau-Viersitzer. Der von Darmstädter Studenten entwickelte und gebaute Chilly wiegt sogar nur 330 Kilo; sein Stromverbrauch entspricht pro 100 Kilometer nicht einmal einem halben Liter Benzin. Auch die Reichweite erfüllt mit etwa 120 Kilometern längst die Anforderungen, die an ein Stadtfahrzeug im Alltagsbetrieb gestellt sind. Sogar 150 Kilometer Reichweite hat das Mini-el- Dreirad, das 300 Kilo wiegt.

Die Höchstgeschwindigkeit des Dreirades liegt zwischen 40 und 50 Stundenkilometern, dennoch ist bislang der normale Auto-Führerschein erforderlich. „Auch da gäbe es ganz einfache Möglichkeiten für die Politik, das Umweltbewußtsein in der Bevölkerung etwas anzukurbeln“, ärgert sich Maass über die Untätigkeit.

Er glaubt, daß viele Eltern ihren Kindern lieber ein kleines Solarmobil als ein Moped kaufen würden. Dieses würden sie seiner Meinung nach irgendwann testen wollen und so gleich selbst auf den Geschmack kommen. Und ein Beitrag zur Umwelterziehung wäre es auch, so Maass: „Warum dürfen 16jährige eigentlich viel gefährdeter auf zwei Rädern fahren, rumstinken und Lärm machen?“

Zweiräder haben es hingegen dem Pforzheimer Tüftler Frieder Herb angetan. „Ich sehe nicht ein, warum ich am Auto herumbasteln soll, wenn das Fahrrad das sinnvollere Verkehrsmittel ist.“ Der 23jährige Physikstudent, der sich „nebenbei ein bißchen mit Philosophie“ beschäftigt, hat LUNA gebaut, die leichte, umweltfreundliche Nahverkehrs-Alternative. 70 Kilo wiegt sein vollverkleidetes Fahrrad, dessen Elektromotor bei Bedarf zugeschaltet werden kann. Sein Stromverbrauch auf 100 Kilometer entspricht etwa 0,1 Liter Benzin. Herb, der mittlerweile nach Berlin umgezogen ist und dort am Öko-Dreirad „I go“ arbeitet, hält Fahrräder, die sich sowohl mit den Pedalen als auch per Motor im vernünftigen Tempo betreiben lassen, für die eigentliche Alternative zum Auto.

Die Forderung des VFS- Mitglieds Herb hält Bettina Kosub hingegen für „fundamentalistisch“. Nur Schritt für Schritt lasse sich ein neues und ökologisches Verkehrskonzept durchsetzen, ist sie sich sicher. „Und den Wirtschaftsverkehr dürfen wir dabei nicht vernachlässigen.“ Denn für diesen stehen mittlerweile Alternativen bereit, die im Schnitt zwischen 50 und 70 Stundenkilometer schnell sind.

Nach Meinung Kosubs können sich Solarmobile aber nur innerhalb eines integrierten Verkehrskonzeptes durchsetzen. Dazu gehören ihrer Meinung nach Mietstationen an allen Endhaltestellen des öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Außerdem müßten systematisch Fahrgemeinschaften gebildet werden, um die Zahl der benötigten Fahrzeuge deutlich zu verringern.

Doch das „Unternehmen Zukunft“, die Bundesbahn, läßt ein Umdenken nicht erwarten, so die Einschätzung von Arno Paulus: Die Verbindung Bonn–Berlin soll von einem Autoreisezug befahren werden. Paulus: „Könnte im 1.-Klasse-Ticket nicht ein Miet-Solarmobil für zwei Tage drin sein?“ Christian Arns