■ Zu den Auseinandersetzungen in Bophuthatswana
: Härtere Gangart

Es gehört zur Tragödie der südafrikanischen Gesellschaft, daß ihre Befreiung, dieses gigantische Projekt einer Entkolonialisierung, zugleich auch Kräfte freisetzt, deren einzige Freiheit die der Destruktion, des Todes ist. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien, eine geordnete Machtübergabe in Form freier Wahlen, wird Ende April in Südafrika Wirklichkeit. Doch dieser „sanften Revolution“ von oben stehen Tausende von Menschen gegenüber, die bei politisch motivierten Auseinandersetzungen umgebracht wurden – mehr als zu Apartheidzeiten. Dem Wunder eines ausgehandelten neuen Gesellschaftsvertrages, der von der großen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird, stemmt sich der Terror einer Minderheit entgegen, die just in dem Moment, wo das Neue unaufhaltsam wird, der politischen Ethnizität neues Leben einhauchen will. Paradox: Im Moment der Überwindung der Apartheid zeigt sie ihre häßlichste Fratze. Wo das vielbeschworene nationbuilding wirkt, dem eine massive Zentripetalkraft zugrunde liegt, faseln rechte Weiße vom ethnisch reinen Volksstaat (der schon zu Apartheidzeiten auch demographisch nie realisierbar war) und wollen Despoten wie Inkatha-Chef Buthulezi ein präkoloniales Zulureich.

Und da ist auch noch Lucas Mangope, Noch-Chef des Noch-Homelands Bophuthatswana, Mitglied im Bunde der sogenannten „Freiheitsallianz“, die mit allen Mitteln die Wahlen nicht nur boykottieren, sondern mehr und mehr auch sabotieren will. Mangopes Tage sind allemal gezählt, auch wenn er nach den massiven Protesten der Bevölkerung – und aufgrund der Präsenz der südafrikanischen Armee – einlenkte und seinem Land nun die Wahl läßt. Vielleicht greift dieser Funke auch auf Buthulezis Homeland über, und der Zerrüttungstaktik der „Freiheitsallianz“ gegenüber dem ANC würde die Spitze gebrochen. Doch tragisch auch hier, daß mit dem Befreiungsschlag in Bophuthatswana zugleich die militante Rechte der AWB („Afrikanische Widerstandsbewegung“), die zu Tausenden zum Schutz Mangopes aufmarschierte, ihre ersten Märtyrer, gefallen in der „finalen Schlacht“, hat. Ihre Rache ist gewiß.

Es gibt keine Metapher, die nicht den Abgrund bemühte. Die Angst vor einem offenen Bürgerkrieg kann aber nicht dazu führen, Sezession zu akzeptieren. Der Punkt ist erreicht, wo die südafrikanische Regierung ähnlich wie derzeit Israel nach dem Massaker von Hebron eine härtere Gangart einlegen muß. Dazu gehört auch die Entwaffnung aller Militanten. Andrea Seibel