Giftmüllexport nein – gammelige Pestizide ja

■ Baseler Konvention in deutschem Recht: Was als Giftmüll deklariert wird, darf die westlichen Industrieländer nicht mehr verlassen – aber was ist Giftmüll?

Berlin (taz) – Die Bundesrepublik wird auch künftig der weltweit größte Exporteur von Giftmüll bleiben, nur wird der Giftmüll nicht mehr so heißen. Mit der Mehrheit der Koalition verabschiedete der Bundestag am Donnerstag abend das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Baseler Konvention. Hauptinhalt: Giftmüll darf künftig von Deutschland aus nicht mehr in Nicht-OECD-Staaten exportiert werden. Wer Giftmüll illegal exportiert, muß ihn auf eigene Kosten zurückholen.

Hauptproblem: Das Gift, das von bundesdeutschen Firmen exportiert wird, wird heute schon nicht als Gift deklariert, sondern als Wertstoff. „Mit dieser Regelung können weiter Kupferschlamm auf die Philippinen und Altpestizide nach Albanien exportiert werden“, schimpft Andreas Bernstorff von Greenpeace. „Immer wenn Verwertung oder Recycling draufsteht, sind die Grenzen offen.“ 90 Prozent der Giftmüllexporte, die Greenpeace in den vergangenen Jahren dokumentiert hatte, erfolgten unter dem Vorwand des Recyclings.

Die Umweltorganisation hatte aus Protest gegen die Verabschiedung die Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg blockiert. Ein Greenpeace-Laster mit einer Tonne Altpestiziden in 21 Fässern, die die Organisation in Albanien zurückgeholt hatte, stand quer. Um 22 Uhr abends trug die Polizei am Donnerstag die Greenpeaceler von der Brücke.

Insgesamt lagern nach Greenpeace-Angaben 490 Tonnen deutschen Giftmülls illegal in Albanien, die zwischen Herbst 1991 und Frühjahr 1992 dorthin verbracht wurden. Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) versprach am Donnerstag abend, 380 Tonnen Altpestizide aus der DDR zurückzuholen.

Versuche der SPD-Opposition, das Scheunentor für weitere Giftexporte wenigstens teilweise zu schließen, wurden gestern von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Die SPD hatte gefordert, Exporte von Giften außerhalb der OECD auch zur Verwertung zu stoppen. In der Begründung des Antrages hieß es, daß die Verwertung und Entsorgung aller in der Bundesrepublik anfallenden Sonderabfälle im Inland möglich sei.

In Anhörungen hatten sich sowohl der Verband der Chemischen Industrie (VCI), der Deutsche Industrie- und Handelstag und die Verbände der Entsorgungswirtschaft für ein solches Verbot stark gemacht. Nur die Metallindustrie, die Schlacken und Schwermetalle vor allem nach Osteuropa verbringen wollte, sperrte sich. Im Kabinett blockierte das Wirtschaftsministerium ein Exportverbot. In Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen aber klagten Entsorgungsfirmen über die mangelhafte Auslastung ihrer Anlagen.

Zwar ist das Basel-Gesetz mit dem gestrigen Beschluß noch nicht endgültig verabschiedet, der Bundesrat hat noch Bedenken. Doch beziehen sich die Bedenken der Länder nicht so sehr auf den Giftmüllexport selbst, sondern vielmehr auf eine sogenannte Rückholklausel.

Bund und Länder streiten sich darum, wer für das Zurückholen von illegal exportiertem Giftmüll zahlen muß, wenn der Verursacher nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Länder sehen nicht ein, daß sie für die Taten krimineller Müllschieber aufkommen sollen. Der Bund wiederum argumentiert, es sei nicht seine Aufgabe den Giftmüll zurückzuholen, der durch die laxe Kontrollpraxis der Länder erst ins Ausland hat verbracht werden können.

Versuche des Bundesumweltministeriums, die Entsorgungswirtschaft mit einem Fonds für diese Rückführungen aufkommen zu lassen, waren im Kabinett gescheitert. Die SPD forderte am Donnerstag abend trotzdem, einen solchen Fonds einzurichten. Auch die Verbände der Entsorgungswirtschaft hatten signalisiert, daß sie sich einen Fonds mit jährlich 25 bis 30 Millionen Mark für Rückholaktionen vorstellen können. Hermann-Josef Tenhagen