■ Bonn-apart
: Der Vater und sein Kind

Auf vier Säulen ruht das Land. Bis jetzt. Nun sind es fünf. Denn Norbert Blüm konnte, was nicht jeder von sich sagen kann, seinen Lebenstraum verwirklichen. Auch in schlechten Zeiten hat der Bundesarbeitsminister den Glauben nicht an seine Ankündigung von 1991, 1992, 1993 verloren. „Die Pflegeversicherung ist die fünfte Säule unseres Sozialversicherungssystems.“

Ehre, wem Ehre gebührt – er hat recht behalten. Die historische Stunde bescherte uns als Zugabe zur Säule auch eine Rede des hartnäckigen Ministers, die seine besondere Gabe, das Menschliche und das Politische ganzheitlich zu sehen, eindrucksvoll unterstrich. Norbert Blüm erzählte gestern vor dem Bundestag aus der Schöpfungsgeschichte des Werks, das nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. Der um fünf Jahre Verjüngte (Blüm am Vortag: „Ich bin durch die Pflege 10 Jahre älter geworden und heute vormittag 15 Jahre jünger“) wies darauf hin, daß die Pflegeversicherung ohne eine gewisse zivilisatorische Reife nicht zu haben war, die den Neandertalern durchaus noch abging. Denn „die Neandertaler kannten nur Keulen, keinen Kompromiß“. Die Pflegeversicherung könnte in dieser Hinsicht auch Beispielwirkung entfalten. Schließlich: „Die Welt ist von Kompromißfähigen noch nie gefährdet worden.“ Doch bei aller Wertschätzung für die kompromißfähigen Politiker („Kompliment für den Parteienstaat“), was sind sie schon gegen die, die den „Anstoß für die neue Kultur des Helfens“, den die Pflegeversicherung geben soll, gar nicht mehr brauchen. Wer pflegt, der gehört, „ob Profi oder Amateur“, zu den „wahren Rittern unseres Sozialstaats“ (meist sind die Ritter weiblich, aber das nur nebenher). Wohl weil wir „familiäre Gesinnung brauchen“ stellte Blüm sein Publikum – „Ende gut, alles gut“ – ans „Wiegenbett der Pflegeversicherung“.

Und dort wird die Säule, die 1993 zum Haus mutierte („Die Pflegeversicherung kommt. Es wird ein neues Haus gebaut. Es wäre schade, im Streit einzuziehen ...“), natürlich zum Kind: „Die einen sagen: Die Augen sind von mir. Die andren: Mir ähneln die Hände. Nur die Ohren wie die Schwiegermutter. Die anderen sagen: Wie schön, die Kompensationsbeinchen. Und die nächsten: Wie gut steht ihm doch das private Jäckchen über dem solidarischen Hemdchen.“

Nur ein wirklicher Vater wie Blüm kann so viel angemaßter Elternschaft entgegnen: „Ich sage, laßt uns doch das Bettchen stellen und dem Kind alles Gute wünschen ...“ Tissy Bruns