Tadashi Endos muskulöse „MA“

Aus einem Tonkrug ließ Tadashi Endo am Freitag abend zu Beginn seines neuen Prgramms MA (“innere Leere“) im Monsun-Theater einen dünnen Strahl Wasser auf den Boden fließen. Der kaum Bekleidete näherte sich auf allen Vieren der Pfütze, bewegte sich zum filmmusikalischen Pomp Ryuchi Sakamotos ruhig, muskulös und schmiegsam wie ein Tier. Erschreckend plötzlich fiel er im Wasser ausgleitend, sprang in die Höhe, um schließlich wieder kauernd im Nassen zu liegen. Als er sich vor den andächtig schauenden Zuschauern verbeugte, war sein Rücken vom Fallen mit roten Flecken übersät.

Dann erschien er im roten Kleid mit offenen wirren Haaren. Seine extrem langsamen Bewegungen wirkten wie vage Entschlüsse, die sofort wieder zurückgenommen wurden. Die Musik unterstützte diese inszenierte Zaghaftigkeit, indem sie wie eine unendliche Schleife immer wieder begann, wenn man meinte, sie sei zu Ende. Indem der Tänzer, der bei dem Butoh-Altmeister Kazuo Ohno in die Lehre ging, mal wie ein drohender Dämon wirkte, dann wie ein Tier oder ein flehendes Weib, wurde der Verwandlungsfähige mit den wüst akrobatischen Bewegungen im gebündelten Scheinwerferlicht zu einer magischen Kunstfigur.

Beschauliche Ästhetik will die etwa vierzig Jahre junge japanische Tanzform am wenigsten vermitteln. Exzentrische Zuckungen und große poetische Langsamkeit liegen im Butoh-Tanz eng nebeneinander, was dem Tänzer sowohl körperliche Hochleistung als absolute innere Entspannung abverlangt. Letztere überträgt sich zwangsläufig auf den Zuschauer. Aus einer gekonnten Vorstellung des Butoh-Tanzes kommt man am Ende immer etwas verändert und still benommen wieder heraus. Und das war nach Endos beeindruckendem Solo der Fall. Simone Ohliger