Sehenswerter „Pierrot Lunaire“

Ein sehenswerter Abend, doch ein zwiespältiges Konzept: Markus Bothe, Student der Musiktheater-Regie, inszenierte unter dem Titel Pierrot Lunaire eine Straßenszenenfolge zur Musik Arnold Schönbergs. Die Kammersymphonie und die Pierrot-Melodramen, gemeinsam Zeugnis der radikalen Abkehr von der Tonalität, sollten mit einem Briefwechsel zwischen dem revolutionären Komponisten und dem Bilderneuerer Kandinsky zu einer „szenischen Montage“, einer multimedialen „Form von Ausdruckstheater“ vereint werden.

Doch gelingt dies in Bezug auf die Pierrot-Texte von Albert Girauds leider nicht. Die von Julia Barthe sehr gekonnt zwischen Singen und Sprechen vorgetragenen expressionistischen Geschichten verbinden sich nicht mit dem theatralischen Geschehen und entwickeln sich so fast zu lautmalerischem Beiwerk. Das ist schade, denn die Inszenierung ist in sich durchaus gelungen.

Nach einem spannenden, einfühlsam inszenierten Briefwechsel der beiden Künstler folgt zur Kammersymphonie der Reigen düsterer Straßenszenen, ein wechselndes Vorüberziehen von schwarzgekleideten und weißgeschminkten Figuren: Der Verfolgte, die Ballerina, das Liebespaar oder der Straßenfeger in einer reduzierten, dennoch vielschichtigen Choreographie. Anklänge etwa an die sprachlosen Handke-Stücke oder Großstadtstummfilme entstehen, dem Betrachter bietet sich Gelegenheit, die nur scheinbar alltäglichen Wahrnehmungen zu Geschichten weiterzuspinnen.

Souverän begleitet von den Musikern unter Andreas Mildners Leitung wird die Bedrohlichkeit der Szenerie, der Einbruch des Ungeheuerlichen ins Alltägliche gesteigert – ganz analog zur atonalen Entwicklung der Musik. Der Straßenfeger wird zum Magier, die Bewegungen frieren zeitweise ein, und der Verfolgte wird von einer Masse gewaltsam als Pierrot kostümiert. Eine vielversprechende Nachwuchsarbeit.

Niels Grevsen