Männer – als Verkäufer viel zu schade?

In Kaufhäusern sind vor allem Frauen beschäftigt, doch in den Leitungspositionen sind Frauen kaum zu finden / Auch „Frauenförderung“ baut die Aufstiegsbarrieren nicht ab  ■ Von Juliane Echternkamp

Nicola Mahr muß in 19 Stunden schaffen, was ihre KollegInnen in einer 40stündigen Arbeitswoche machen. Die 30jährige Berlinerin ist Abteilungsleiterin in der Steglitzer Karstadt-Filiale. Von 67.000 Beschäftigten des Warenhauskonzerns ist sie die erste, die eine Führungsposition während des Erziehungsurlaubs ausübt.

„Manchmal komme ich ins Schwimmen“, gesteht die Abteilungsleiterin. „Zum Beispiel beim Winterschlußverkauf. Dann darf ich mich nicht in Nichtigkeiten verheddern.“ Trotzdem schaffe sie die Arbeit nur, weil sie eine sehr gute Stellvertreterin habe. Die beiden Frauen arbeiten problemlos zusammen. „Ich muß meine Autorität nicht ausleben“, sagt Mahr dazu. „Ich probiere, viel zu kommunizieren und meine Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen.“

Sie interessiert sich für Mode und managed ihre Stoffabteilung „wie ein Einzelhändler“. Einkauf und Verkauf der Ware, Personaleinsatz- und Führung sowie Werbeaktionen gehören zu ihren Aufgaben als Abteilungsleiterin. Ein Posten, den nur selten eine Frau innehat. Denn der Einzelhandel ist zwar eine „typisch“ weibliche Branche, 70 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, doch die Führungsebene ist den männlichen Beschäftigten vorbehalten: Auf zwanzig Männer kommt eine Frau.

„Ich wußte, daß ich hier Karriere machen kann“, sagt Mahr trotz dieser düsteren Zahlen. Die große Mehrheit der in Waren- und Kaufhauskonzernen arbeitenden Frauen sieht das allerdings anders. „Ich würde gerne aufsteigen, aber nicht unter den gegebenen Bedingungen“, antworteten die Frauen, die die Politologin Birgit Riegraf zu ihren Aufstiegsambitionen befragte. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Freien Universität Berlin untersuchte Riegraf die Gründe, die Frauen daran hindern, in Führunspositionen aufzusteigen.

Die Frauenförderunsprogramme, die in letzter Zeit verschiedene Warenhauskonzerne erstellt haben, seien nur öffentlichkeitswirksame Teilzeitvereinbarungen und Regelungen zum Elternurlaub, schreibt Riegraf. Das seien Maßnahmen, die sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrierten, die wirklichen Aufstiegsbarrieren der Frauen aber nicht abbauten.

Geringes Ansehen der Verkaufsberufe, schlechte Bezahlung und Vorurteile der Vorgesetzten sowie Arbeitszeiten- und Bedingungen behinderten nach wie vor die Frauen an ihrem beruflichen Aufstieg, kritisiert Riegraf. Gerade Führungskräfte in oberen Positionen setzten einen allzeit flexiblen Manager voraus. „Sie sollen die ersten im Betrieb sein und die letzten, die ihn verlassen.“ Doch kaum ein Mann befreie seine Frau von Haus- und Kinderarbeit. Riegrafs Fazit: Frauen können Karriere machen. Aber nur, wenn sie auf eine eigene Familie verzichten.

Die Unternehmensleitungen der großen Kaufhäuser sind sich dieser Probleme bewußt. „Wir haben Maßnahmen entwickelt, die Frauen helfen sollen, auch ins Top- Management aufzusteigen“, sagt Hildegard Holtrop, Leiterin der Abteilung Berufsausbildung in der Karstadt-Zentrale in Essen. Spezifische Frauenseminare und neue Modelle der Teilzeitbeschäftigung seien entwickelt worden, die es Frauen ermöglichen sollen, nach dem Mutterschutzurlaub auch in verantwortungsvolle Posten zurückzukehren. „Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist bald nicht mehr ein bloßes Frauen-, sondern ein Männer- und Frauenproblem“, sagt Holtrop.

Trotz neuer Frauenpolitik verändern sich die Verhältnisse nur langsam. Karstadt- und Hertie- Vorstände sind nach wie vor fest in Männerhand. Erst eine Stufe tiefer, im oberen Management, taucht die Spezies Frau auf: Bei Karstadt ist jede achte obere Führungskraft eine Frau, bei Hertie jede zwölfe. Immerhin habe sich damit der Frauenanteil seit 1986 verdoppelt, sagt Maren Osse, Frauenbeauftragte der Hertie- Zentrale. „Noch kann man nur von Vorzeige-Frauen sprechen. Aber sie sind wichtige Vorbilder, mit denen sich die Frauen identifizieren können.“

Hauptproblem der Frauen ist die Mobilität, die eine berufliche Karriere in einem Warenhauskonzern voraussetzt. Denn jeder Aufstieg ist mit einem Filialenwechsel verbunden. Und der oft mit einem Ortswechsel. Frauen stellten diese Personalpoltik zuerst in Frage. Mittlerweile ziehen die Männer nach. „Das erschwert uns die Arbeit“, sagt Osse. Sie ist nicht nur Frauenbeauftragte, sondern leitet auch das Personalwesen der Führungskräfte. „Man muß längerfristiger planen. Aber letztlich ist das die einzige Chance zur Gleichberechtigung.“ Noch stellt die Abteilungsleiterin im Erziehungsurlaub eine Ausnahme dar. Zu ihrer Rückkehr in die Arbeitswelt sagt Nicola Mahr: „Ich war schon vorher viel in meiner Freizeit hier. Nur so konnte ich denselben Posten wie vorher ausüben.“ Doch ohne die „tolle“ Unterstüzung des Geschäftsführers hätte auch sie es nicht geschafft.

Je nach Arbeitsaufwand arbeitet Mahr bis zu drei Tagen pro Woche. „Während der Arbeit denke ich an mein Kind und umgekehrt. Oft rufe ich von zu Hause hier an und frage, ob alles in Ordnung ist.“ Zu ihrer Entscheidung, schon im Erziehungsurlaub die Arbeit wieder aufzunehmen, sagt Mahr: „Ich möchte nicht nur Mutter sein. Für mich ist es wichtig, am menschlichen Leben teilzunehmen.“

Während des Mutterschutzurlaubes habe sie den Anschluß an Kollegen und Freunde verloren. „Die können nicht verstehen, daß man sich plötzlich nur noch über die Bäuerchen unterhält, die das Kind schon gemacht hat.“ Trotzdem hätten manche ihrer Bekannten kritisiert, daß sie wieder arbeitet. „Besonders die Männer, die sich abends nur zehn Minuten mit ihren bettfertigen Kindern beschäftigen, verstehen mich nicht. Sie werfen mir vor, daß sich Kinder von berufstätigen Müttern schlechter entwickelten als Kinder von Hausfrauen.“ Am Anfang habe Mahr versucht, sich zu rechtfertigen. Aber jetzt will sie sich nicht mehr entschuldigen. „Das sind ganz persönliche Entscheidungen. Jeder muß wissen, was für ihn am besten ist.“

Ihr Mann findet es richtig, daß sie wieder arbeitet. Er unterstützt sie, auch mit der Hausarbeit, wenn er abends nicht zu kaputt nach Hause kommt. „Die heutigen Männer vergleichen sich mit ihren Vätern, die zu Hause überhaupt nichts gemacht haben“, sagt Mahr. „Wenn sie selbst ein Fünftel der Hausarbeit übernehmen, halten sie das schon für eine tolle Leistung.“